Das Netz
Vorgesetzte, jemand, der hervorragend mit den Politikern in Whitehall umgehen konnte, seinen Stellvertreter sonst aber die Abteilung so führen ließ, wie dieser es für richtig hielt.
»Sieg auf der ganzen Linie«, verkündete Howard triumphierend. »Ich konnte den Premierminister soeben davon überzeugen, dass er den Kabinettsbeschluss in Hinblick auf Warner wieder zurücknimmt. Der Sicherheitsminister kann jetzt nicht mehr schalten und walten, wie er will. Was unter anderem bedeutet, dass Sie, Tweed, das Verschwinden von Warners Frau untersuchen dürfen. Der Premier macht sich große Sorgen wegen der Sache. Es wird gemunkelt, dass Linda Warner eine Affäre mit einem anderen Kabinettsmitglied gehabt haben soll.«
»Na also«, mischte Buchanan sich lächelnd ein. »Dann können Sie ja doch mit mir nach Carpford fahren, Tweed.«
»Hier ist eine Kopie des Schreibens, in dem uns der Premierminister völlige Unabhängigkeit vom Sicherheitsministerium bescheinigt«, sagte Howard.
»Da hat sich der Premier aber richtig weit aus dem Fenster gelehnt«, sagte Tweed, nachdem er das Papier kurz überflogen hatte. »Trotzdem bleibe ich bei meiner Entscheidung. Ich werde Linda Warners Verschwinden nicht untersuchen. Das ist Ihre Aufgabe, Roy. Übrigens glaube ich nicht an die Gerüchte in den Zeitungen, dass wir hier in England das nächste Ziel der El Kaida sein werden. Bisher liegen noch keine stichhaltigen Beweise dafür vor.«
»Aber Sie haben Linda Warner doch persönlich gekannt, Tweed«, meldete Paula sich zu Wort. »Vielleicht nicht besonders gut, aber Linda mochte Sie. Da kann es Sie doch nicht kalt lassen, dass sie verschwunden ist.«
»Bemühen Sie sich nicht, Paula. Mein Entschluss steht fest...«
Das Telefon klingelte. Monica ging ran und wandte sich kurz darauf, während sie die Sprechmuschel zuhielt, mit einem gequälten Lächeln an Tweed.
»Peregrine Palfry, der persönliche Assistent von Minister Warner, möchte Sie unbedingt sprechen.«
»Dieser aalglatte Widerling. Wahrscheinlich küsst er Warner jedes Mal die Füße, wenn der ins Zimmer kommt. Aber geben Sie mir ruhig den Hörer, wenn’s denn sein muss... Hallo, Tweed am Apparat.«
»Mr Tweed...«, ließ sich eine arrogante Stimme am anderen Ende der Leitung vernehmen, »ich soll Ihnen vom Herrn Minister ausrichten, dass...«
»Wenn er mir etwas zu sagen hat, dann sollte er mich schon persönlich anrufen«, unterbrach ihn Tweed. »Ich verkehre generell nicht über Mittelsmänner.«
»Aber es ist sehr wichtig. Ich soll Ihnen sagen, dass...«
»Entweder der Minister spricht persönlich mit mir, oder ich lege sofort auf.«
Tweed konnte hören, wie sein Gesprächspartner heftig schluckte. Es folgte ein geflüstertes Gespräch zweier Stimmen, und nach einer kurzen Pause war Warner selbst in der Leitung.
»Was soll das, Tweed?«, sagte er verärgert. »Ich bin ein viel beschäftigter Mann...«
»Das bin ich auch. Worum geht’s?«
»Also gut, Tweed«, sagte Warner in höflichem, aber entschlossenem Ton. »Kommen Sie bloß nicht auf den Gedanken, sich in die Ermittlungen über das Verschwinden meiner Frau einzumischen. Damit sind ausschließlich Superintendent Buchanan und Jasper Buller, der Leiter der Special Branch, betraut. Haben Sie mich verstanden?«
»Sicher«, erwiderte Tweed lächelnd und machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach. »Aber Sie können mir überhaupt nichts verbieten. Der SIS untersteht nicht Ihrer Befehlsgewalt. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich bin, wie gesagt, ein viel beschäftigter Mann. Auf Wiederhören...«
Tweed legte auf und blickte sich mit funkelnden Augen im Zimmer um. Dann schlug er mit der geballten Faust so laut auf den Tisch, dass Paula regelrecht hochschreckte. Tweed hat sich in letzter Zeit stark verändert, dachte sie. War er früher eher still und zurückhaltend gewesen, so sprühte er jetzt geradezu vor Energie.
»Das reicht«, fauchte er. »Ich lasse mir von Warner nicht sagen, was ich zu tun oder zu lassen habe. Anscheinend hat er noch nichts vom Sinneswandel des Premiers erfahren.« Er nickte Howard zu und wandte sich dann an Buchanan. »Roy, ich werde den Fall untersuchen, aber vorerst möchte ich noch nicht mit Ihnen nach Carpford fahren. Geben Sie mir lieber die Adresse von Warners Wohnung in Belgravia. Und den Namen seiner Haushälterin.« Er stand auf, nahm seine Jacke vom Garderobenständer und schlüpfte hinein. »Paula, Sie kommen mit mir. Ihnen fallen in den Wohnungen anderer
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