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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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gehört – im Rahmen ihres Osmanistikstudiums hatte Anna Französisch, Türkisch, Persisch und Deutsch gelernt – und wolle deshalb unbedingt noch mit ihr reden, bevor sie zu ihrem Auslandseinsatz aufbrach.
    Früher, in den ebenso guten wie schlechten alten Zeiten, hätte ein solches Gespräch in einer Suite des Madison stattgefunden, in einem Separée des Rive Gauche oder im Salon eines pensionierten Diplomaten in Georgetown. Doch man schrieb das Jahr 1979, und deshalb fand das Treffen im Holiday Inn an der Interstate 270 statt, am Rand eines Gewerbegebiets und direkt neben einem Restaurant in einem ausrangierten Güterwagon – ganzwie es sich gehörte. Stone konnte nichts dafür – es wurde inzwischen einfach so gemacht. Wenn sich herumgesprochen hätte, dass ein hoher CI A-Mitarbeiter sich mit seiner jungen Agentin in einem französischen Restaurant traf, hätte sich mit Sicherheit irgendein Kongressabgeordneter gefunden, der deswegen einen Aufstand machte.
    Natürlich wollte Anna auf Stone einen guten Eindruck machen, doch trotz monatelanger Ausbildung war ihr immer noch nicht klar, wie man als weibliches Mitglied des Geheimdienstes eigentlich auszusehen hatte. Schlank oder kräftig? Hübsch oder hässlich? Streng oder sanft? Sie wusste es einfach nicht und hegte den Verdacht, dass es eigentlich auch sonst niemand wusste. Schließlich gab es Ende der Siebziger noch kaum Agentinnen, geschweige denn weibliche NOCs. Und das wiederum, beschloss Anna, bedeutete, dass sie aussehen konnte, wie sie wollte. Sie entschied sich für die schlichte Variante: blaues Kostüm mit weißer Baumwollbluse. Fast eine Art Uniform. Selbst in so einer langweiligen Aufmachung war sie mit ihren strahlenden, grünblauen Augen und dem schulterlangen, schwarzen Haar, dessen dunkle Farbe von ein paar frühzeitig ergrauten Strähnen noch unterstrichen wurde, eine attraktive Erscheinung. Sie hatte etwas von einer geschmeidigen Raubkatze, die zwar gezähmt war, das Leben in der Wildnis aber noch nicht ganz vergessen hatte.
    Anna traf vor Stone im Holiday Inn ein und ging sofort auf das Zimmer, das so schäbig und bedrückend war, wie es nur Motelzimmer direkt an der Autobahn sein können. Sie zog die Vorhänge zu, setzte sich aufs Bett und sah sich um. In diesem ganzen Raum schien es nichts zu geben, was aus einem natürlichen Material bestanden hätte: weder die braunen, schwer entflammbaren Treviravorhänge noch die holzgemasertenResopalplatten des Tisches und der beiden Nachtschränkchen, der schmutzig hellbraune Teppich oder die grüne Bettwäsche aus knisterndem Polyester. Anna war ganz in die Betrachtung dieser künstlichen Welt vertieft, als es kurz an die Tür klopfte und ein Mann, den eine Aura von Leder, Tweed und gestärkter Baumwolle umwehte, ins Zimmer trat.
    «Guten Tag, meine Liebe», sagte Edward Stone höflich und reichte ihr die Hand. Ein gepflegter Herr Anfang sechzig.
    «Wie geht es Ihnen, Sir?» Anna gab sich Mühe, so korrekt und militärisch zu klingen wie ein Offizier, was sie ja in gewisser Weise auch war.
    «Es geht mir prächtig. Aber sagen Sie bitte nicht ‹Sir› zu mir. Da fühle ich mich so alt.»
    Aha, dachte Anna. Ein Charmeur.
    «Ich habe Ihnen etwas mitgebracht», sagte Stone. Er ging zum Bett hinüber, setzte sich, griff in eine braune Einkaufstüte und förderte eine Flasche Champagner zutage. Als er sie öffnete, schoss der Korken mit einem Knall heraus und verfehlte dabei nur knapp den Rauchmelder an der Decke.
    «Gläser habe ich leider keine dabei.» Stone ging ins Badezimmer und kam mit zwei Zahnputzbechern zurück, die er bis zum Rand mit Champagner füllte.
    «Willkommen im Club», sagte er und hob sein Glas.
    Anna prostete ihm ebenfalls zu und nahm einen großen Schluck. Die Champagnerbläschen kitzelten am Gaumen und in der Nase.
    «Und auf einen erfolgreichen ersten Auftrag», sagte Stone.
    «Auf dass es kein völliger Fehlschlag wird», gab Anna zurück. Stone lächelte. «Nur keine Sorge. Sie werden sehen, es ist im Grunde gar keine schwierige Aufgabe. Erschreckend einfach sogar, wenn alles nach Plan läuft.»
    Sie nahmen in den Holiday-Inn-Sesseln am Fenster Platz, und Stone zog die Vorhänge auf, die Anna aus Sicherheitsgründen geschlossen hatte. Draußen glitzerte die Wintersonne auf den Kacheln am Boden des leeren Swimmingpools. Stone zog das Sakko seines grauen Nadelstreifenanzugs aus und knöpfte die Weste auf. Er wirkte ebenso elegant wie ermüdet.
    «Immer die Vorhänge schließen»,

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