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Das neue Evangelium

Das neue Evangelium

Titel: Das neue Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mattias Gerwald
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nach dem Koran erlaubt ist, bis zu vier Ehefrauen zu haben (wenn der Gatte garantieren kann, dass er sie alle gleich gerecht behandelt), tritt das Barnabas-Evangelium für die Monogamie ein, es lobt – im Gegensatz zum Koran, der das als christliche Erfindung ablehnt – Mönchtum und Askese. Ein typisches katholisches Element wie die Lehre vom Fegefeuer, die erst im Mittelalter entstand und die ganz unkoranisch ist, findet sich auch bei Barnabas (Kapitel 136):
    ›»An diesem verfluchten Ort werden die Ungläubigen für immer sein. […] Die Gläubigen aber werden Trost haben, denn ihre Qual wird ein Ende haben.‹
    Die Jünger fürchteten sich, als sie das hörten, und sagten: ›So müssen auch die Gläubigen in die Hölle?‹
    Jesus antwortete: ›Jeder, ganz gleich, wer er ist, muss in die Hölle eingehen. Doch es ist wahr, dass die Heiligen und Propheten nur dorthin gehen, um sie zu betrachten, sie erleiden weder Leid noch Strafe, und die Gerechten erleiden nur Furcht.‹«
    Der Koran betont dagegen stets, dass die wahren Gläubigen, seien sie Mann oder Frau, eingehen in die »Gärten, unter denen Wasser fließen« – das Paradies –, während die Ungläubigen in die Hölle kommen, ohne dass es noch Hoffnung auf Erlösung gäbe.
    Während der Koran nach eigener Darstellung vom Himmel gesandt wurde, um das Evangelium zu bestätigen (z. B. Sure 3, 84 und 5, 48), wird im Barnabas-Evangelium behauptet, dass Mohammed das Evangelium annullieren wird.
    Aber der vielleicht auffälligste Widerspruch des Barnabas-Evangeliums zum Koran ist jener, dass der Autor des neuen Evangeliums Mohammed als Messias bezeichnet. Im Neuen Testament und im Koran (z. B. Sure 3, 45; 4, 172; 5, 75 und öfter) trägt Jesus den Titel Messias. Dieses Wort, zu deutsch ›der Gesalbte‹, bezeichnet den rechtmäßigen jüdischen König, also einen politischen Anspruch. Als sich das Christentum von seinen jüdischen Wurzeln entfernte, wurde das Wort als »Erlöser« neu gedeutet. Ebendiese Deutung findet sich im Barnabas-Evangelium wieder, wo Mohammed zum Messias wird – ein Anspruch, den weder er selbst noch der Koran je für ihn erhoben. Ganz im Gegenteil: Der Koran stellt Mohammed stets als einen Menschen dar, der weder göttlich ist noch in sonst einer Weise übernatürliche Fähigkeiten besitzt.

 
    Wer schrieb das Barnabas-Evangelium?
     
    Es steht außer Zweifel, dass der Verfasser plante, eine islamisch interpretierte Fassung der vier kanonischen Evangelien zu schreiben, und dass dieses Werk christliche Leser vom Islam überzeugen sollte. Der Verfasser war offenbar sowohl mit den christlichen Evangelien als auch mit dem Koran vertraut, doch machte er auffällige Fehler, die vermutlich durch die Umstände zur Zeit der Niederschrift erklärbar sind.
    Von kritischen Wissenschaftlern ist sehr viel Mühe darauf verwandt worden, durch Analysen der Sprache und des Inhalts mehr über den Verfasser des Barnabas-Evangeliums und die Zeit, in der er den Text geschrieben hat, zu erfahren.
    Allgemein ist man sich heute einig, dass das Evangelium nach der gewaltsamen Vertreibung oder Bekehrung der Juden und Muslime zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert entstanden ist, vermutlich in Spanien. Sein Autor könnte ein Morisco, ein zwangsbekehrter Muslim, gewesen sein, der die Evangelien gründlich studiert hatte.
    Lonsdale Ragg vermutete, dass das Barnabas-Evangelium zwischen den Jahren 1300 und 1350 verfasst wurde. Einiges spricht dafür. Nach dem Barnabas-Evangelium (Kapitel 82) wird das so genannte Jubeljahr »nun alle 100 Jahre gefeiert« – im Alten Testament und zur Zeit Jesu wurde es aber alle 50 Jahre begangen. Es war Papst Bonifatius VIII. der 1300 den Zeitraum auf 100 Jahre festlegte – ein Beschluss, der bereits 1343 von Clemens VI. erneut auf 50 Jahre reduziert wurde. 1389 wurde der Zeitraum auf 33 Jahre, 1470 auf die bis heute gültigen 25 Jahre festgesetzt. Die katholische Kirche nennt das jüdische Jubeljahr »heiliges Jahr«.
    Zudem stützt sich das Barnabas-Evangelium bei der Beschreibung des Himmels auf die Schilderungen des italienischen Dichters Dante Alighieri (1265-1321). Die Muslime und Juden kannten nur sieben Himmel, doch Dante beschreibt in seiner »Göttlichen Komödie« deren zehn, und ebendiese Zahl wird auch im Barnabas-Evangelium genannt. Einmal wird eine Münze erwähnt, ein Dinar zu 60 Minuti, die es nur im mittelalterlichen Spanien gab, und auch nur kurze Zeit.
    Das Barnabas-Evangelium stammt also sehr wahrscheinlich

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