Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
Innovator ein Held sein muss (was er eben meist nicht ist), muss das Management von Innovation wirklich absolut exzellent sein, sonst klappt es gar nicht. Auch das will ich später ausführlich erläutern.
Das Management erkennt aber immer, spätestens unter Nachhilfe von Beratern, dass es das Neue nicht richtig managt. Das frühere Management hat es versucht, es lief aber nicht. So bequemt sich das neue Management wieder, durch Berater noch einmal ein Innovationsmanagement aufzuziehen, das diesmal sicher klappt. Die Erwartungen sind immens und vollkommen überzogen – man glaubt den Beratern nur zu gern …
Auf der einen Seite werkelt ein überforderter Erfinder – er dringt nicht durch. Auf der anderen Seite bastelt das Management immer wieder hoffnungsvoll an einem Ansatz, der wie auf einem Fließband lauter Neues ausspuckt.
Da ist wirklich eine große klaffende Lücke, die »Gap of Innovation«, irgendwo im unbekannten Terrain zwischen Lehrsatz und Geschäft. Dieses unbekannte Land möchte ich mit Ihnen nun nach und nach beschreiben. Meine Hoffnung ist, dass mit der Kenntnis dieser sonst unbeachteten Topografie viel weniger Wunder geschehen müssen, damit Innovationen gelingen.
Diffusion und »The Chasm of Innovation«
Das für viele Manager und vor allem Erfinder mysteriöse Sterben vieler guter Ideen in der rauen Wirklichkeit wird in den letzten Jahrzehntenlangsam immer besser verstanden. Inzwischen haben sich die wichtigen Erkenntnisse von Everett Rogers und Geoffrey Moore allgemein etabliert, die ich im Folgenden kurz darstelle. Die von Rogers und Moore benutzten Begriffe gehören heute zum Kanon der Innovationskenner, leider aber gehören sie noch nicht (noch lange nicht?) zum allgemeinen Gedankengut – und das wäre unbedingt nötig. Es reicht ja nicht, wenn nur der Innovator etwas von Innovation versteht, auch seine Umgebung müsste sich auskennen! Für diese Umgebung sind griffige Vorstellungsmodelle wichtig, wie ich sie jetzt skizziere.
Rogers untersuchte schon 1962 in seinem Buch
Diffusion of Innovations
die Ausbreitung von Innovationen in einer Bevölkerung. Zuerst gibt es die Idee oder Vision eines Erfinders oder Innovators, dann bauen Innovatoren erste Prototypen, die schon von den ersten technisch Interessierten (»Early Adopters« oder »Erstanwender«) benutzt werden. Diese ersten Anwender verbessern entweder selbst oder durch konstruktive Kritik die ersten Prototypen, sodass die neue Erfindung langsam reift und schließlich so gut wird, dass sie die fortschrittlich denkende »erste Hälfte« der Menschen nützlich findet. Jetzt erst ist aus der Erfindung eine wirkliche Innovation geworden. Die »Pragmatics« haben die Innovation für sich selbst als nützlich akzeptiert! Die konservative Hälfte der Menschen freundet sich mit der Innovation erst später oder viel später an, ein letzter Rest vielleicht nie (»Ich bin stolz, jetzt schon seit 50 Jahren keinen Fernseher zu besitzen.«).
Das Buch von Rogers wurde erst im Laufe der Jahre breiter bekannt. Laut Wikipedia ist es Mitte des letzten Jahrzehnts das zweitmeist zitierte Buch aus den Sozialwissenschaften gewesen. Jeder, der sich um Innovation kümmert, kennt nun mindestens den Begriff des »Early Adopters«, auch im deutschen Sprachraum – die englischen Begriffe werden kaum eingedeutscht. Die Abbildung der Glockenkurve mit den Ausbreitungsphasen der Innovation hat sich fest in allen Fachhirnen etabliert.
Die Glockenkurve soll uns den Eindruck geben, dass es vielleicht 10 bis 15 Prozent Early Adopters gibt und möglicherweise je um die 40 Prozent Early Pragmatics und Late Conservatives.
Der Amerikaner Geoffrey Moore hat das Verständnis für Innovation wesentlich geschärft. 1991 erschien sein heute schon als »Klassiker« bezeichnetes Buch
Crossing the Chasm: Marketing and Selling
High-Tech Products to Mainstream Customers.
Moore schärft darin die Sicht auf das Problem, eine Erfindung, die einige frühe Nutzer schon länger benutzen, nun auch der fortschrittlichen Hälfte der Menschen nahezubringen. Moore beschreibt mit »Chasm« oder griechisch Chasma (»Schlucht«) als erster
sehr plakativ
den größten Problempunkt zwischen den ersten Nutzern und dem ersten Massenmarkt. Hier, genau hier, ist die Überlebensschwelle – hier entscheidet sich, ob eine Erfindung nur ein »Spielzeug für Spezialisten« bleibt oder wirklich zur allgemeinen Verwendung gelangt. Die Erfindung muss über einen breiten Graben springen oder besser die
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