Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
ausgegangen. Es gab mir ungeheuer viel neues Selbstvertrauen, dass ich die heute so genannte »comfort zone« verlassen und auf neuem TerrainErfolg haben konnte. Aber im Moment eines Wechsels im Leben ist absolut nichts klar. Alles wird aufgegeben, es gibt kaum noch ein Zurück.
Solche Nöte eines normalen Privatlebens finden wir bei den Unternehmen ganz genauso. Große Umwälzungen und Innovationen bedeuten oft für ein Unternehmen, »ein neues Leben anzufangen« und in einem neuen Terrain Fuß zu fassen. Für eine solche Neugeburt muss das Herz und die volle Energie des Unternehmens bereit sein, so wie die volle Konzentration auf die Doktorarbeit bei Menschen. Was bei Menschen schon ein schweres Problem ist, wird bei Unternehmen noch schwieriger sein, weil Unternehmen nicht einfach so »den Job wechseln können«. Sie müssen ja das alte Geschäft möglichst lange gewinnbringend fortführen, auch um die nötigen Ressourcen für die Neuorientierung zu erzeugen. Das Alte muss noch respektvoll gepflegt, das Neue mit Elan und Begeisterung vorangetrieben werden.
Nur Neues erzeugen oder nur Altes fortführen ist einfach. Beides gleichzeitig zu tun ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die nur wenigen gelingt. Aber alle reden davon, meistens in dem folgenden stereotypen Managementjargon. »Man muss das eine tun, ohne das andere zu lassen.« Wie oft wird das gesagt! Und wie selten wird beides zugleich mit der erforderlichen Disziplin getan!
Die meisten Unternehmen sind so sehr »vom Tagesgeschäft aufgefressen«, wie man sagt, dass die nötige Konzentration für das Neue nicht aufgebracht werden kann. Die Innovatoren im Unternehmen begehren dann auf, weil sie den kommenden Misserfolg ahnen. Die Vertreter der traditionellen Unternehmensbereiche beruhigen: »Noch verdienen wir das Geld mit dem Alten.« Darauf sind sie zu Recht stolz, aber dieser Stolz nimmt die Begeisterung für das Neue wieder zurück. Das Alte und das Neue beginnen sich gegenseitig kritisch zu sehen, wie das zwanghafte und das hysterische Prinzip. Den Innovatoren vergeht die Freude, also die aus Eustress erzeugte Energie – und sie fühlen, dass sie das Alte zum Wandel zwingen müssen, also unter Distress …
Innovation soll unbedingt unter Eustress stattfinden.
Diesen freudigen Eustress sieht man in etablierten Unternehmen selten. Ich bin oft als Redner zu Innovation auf Verbandstagungen. Ich soll am besten wachrütteln, aufwecken, schocken, aufrufen oder denMarsch blasen. Hilft es? Die Verbände sind oft so sehr im Alten verfangen, wie es noch heute politische »Bauernparteien« und »Arbeiterparteien« gibt, die sich aus Klassenverhältnissen nach dem zweiten Weltkrieg definiert haben.
Verlage schwören auf das Papier und sehen im eBook eine »Ergänzung«, die aber für lange Zeit nur einen kleinen Marktanteil haben wird. Dasselbe sagen Druckmaschinenhersteller und Printmedienvertreter. »Das physische Buch und das elektronische werden immer gemeinsam existieren.« Die Automobilproduzenten sehen im eCar noch keinen großen Markt und glauben, dass der Benziner noch lange den Markt dominieren wird. Wörtlich: »Das Elektroauto ist eine Ergänzung für bestimmte Zwecke, die beiden Produktionsprinzipien werden noch lange Zeit parallel am Markt vertreten sein.« Die Stromerzeuger sehen keine Möglichkeit, ganz auf erneuerbare Energien umzusteigen: »Die erneuerbaren Energien helfen, neue Möglichkeiten für die Zukunft zu finden, aber eine ernsthafte Alternative zu den klassischen Erzeugungsmethoden können sie in der jetzigen Form noch nicht sein. Der Umbau wird sich lange hinziehen, das Alte wird noch lange dominieren.«
Im Klartext: Die Unternehmen wollen nicht so richtig, sonst würden sie freudigere Botschaften mitteilen: »Wir setzen voll auf neue Energieformen! Das geht nicht so schnell, es muss noch viel erforscht werden, und leider müssen wir noch länger traditionell erzeugen. Aber unser Herz ist schon in der Zukunft!« Manchmal sind sie auch schwach depressiv, weil das Alte, so wie das liebevoll ausgestattete Buch, einen fast unvergänglichen Platz in ihrem Herzen hat und
auch haben soll
. Verlage
wollen
das Haptische des Buches hochhalten, weil sie es wirklich von Herzen lieben. Sie schließen die Augen vor der Jugend, deren Augen bei Neuem viel begeisterter aufleuchten (zum Beispiel der ärgerliche Einwurf eines Jugendlichen bei einer Kritik eines Älteren an meiner Rede »pro eBook«): »Das Haptischste auf Erden, Ihr Alten hier, ist
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