Das Nibelungenlied
Lehn,
Dazu vor den Händen · die lichten Schilde breit.
Das sah der Fiedelspieler · dem war es ohne Maßen leid.
Da sah der junge Geiselher · seinen Schwäher gehn
Mit aufgebundnem Helme · Wie mocht' er da verstehn,
Wie er damit es meine · es sei denn treu und gut?
Da gewann der edle König · von Herzen fröhlichen Mut.
»Nun wohl mir solcher Freunde« · sprach da Geiselher,
»Die wir gewonnen haben · auf der Fahrt hieher!
Meines Weibes willen · ist uns Hülfe nah:
Lieb ist mir, meiner Treue · daß diese Heirat geschah.«
»Wes ihr euch wohl tröstet!« · sprach der Fiedelmann:
»Wann saht ihr noch zur Sühne · so viel der Helden nahn
Mit aufgebundnen Helmen · die Schwerter in der Hand?
Er will an uns verdienen · seine Burgen und sein Land.«
Eh' der Fiedelspieler · die Rede sprach vollaus,
Den edeln Markgrafen · sah man schon vor dem Haus.
Seinen Schild den guten · setzt' er vor den Fuß:
Da mußt' er seinen Freunden · versagen dienstlichen Gruß.
Rüdiger der edle · rief da in den Saal:
»Ihr kühnen Nibelungen · nun wehrt euch allzumal!
Ihr solltet mein genießen · ihr entgeltet mein:
Wir waren ehmals Freunde · der Treue will ich ledig sein.«
Da erschraken dieser Märe · die Notbedrängten schwer.
Ihnen war der Trost entsunken · den sie gewähnt vorher,
Da sie bestreiten wollte · dem jeder Liebe trug.
Sie hatten von den Feinden · schon Leid erfahren genug.
»Das verhüte Gott vom Himmel!« · sprach Gunther der Degen
»Daß ihr eurer Freundschaft · tätet so entgegen
Und der großen Treue · darauf uns sann der Mut:
Ich will euch wohl vertrauen · daß ihr das nimmermehr tut.«
»Es ist nicht mehr zu wenden« · sprach der kühne Mann:
»Ich muß mit euch streiten · wie ich den Schwur getan.
Nun wehrt euch, kühne Degen · wenn euch das Leben wert,
Da mir die Königstochter · nicht andre Willkür gewährt.«
»Ihr widersagt uns nun zu spät« · sprach der König hehr.
»Nun mög' euch Gott vergelten · viel edler Rüdiger,
Die Treu' und die Liebe · die ihr uns habt getan,
Wenn ihr bis ans Ende · auch halten wolltet daran.
»Wir wollen stets euch danken · was ihr uns habt gegeben,
Ich und meine Freunde · lasset ihr uns leben:
Der herrlichen Gaben · als ihr uns brachtet her
In Etzels Land mit Treue · des gedenket, edler Rüdiger!«
»Wie gern ich euch das gönnte« · sprach Rüdiger der Degen,
»Daß ich euch meiner Gabe · die Fülle dürfte wägen
Nach meinem Wohlgefallen · wie gerne tat' ich das,
So es mir nicht erwürbe · der edeln Königin Haß!«
»Laßt ab, edler Rüdiger« · sprach wieder Gernot,
»Nie ward ein Wirt gefunden · der es den Gästen bot
So freundlich und so gütlich · als uns von euch geschehn.
Des sollt ihr auch genießen · so wir lebendig entgehn.«
»Das wollte Gott,« sprach Rüdiger · »viel edler Gernot,
»Daß ihr am Rheine wäret · und ich wäre tot.
So rettet' ich die Ehre * da ich euch soll bestehn!
Es ist noch nie an Degen · von Freunden übler geschehn.«
»Nun lohn' euch Gott, Herr Rüdiger« · sprach wieder Gernot,
»Eurer reichen Gabe · Mich jammert euer Tod,
Soll an euch verderben · so tugendlicher Mut.
Hier trag' ich eure Waffe · die ihr mir gäbet, Degen gut.
»Sie hat mir noch nie versagt · in all dieser Not:
Es fiel vor ihrer Schärfe · mancher Ritter tot.
Sie ist stark und lauter · herrlich und gut:
Gewiß, so reiche Gabe · kein Recke je wieder tut.
»Und wollt ihr es nicht meiden · wider uns zu gehn,
Erschlagt ihr mir die Freunde · die hier bei mir stehn,
Mit euerm Schwerte nehm' ich · Leben euch und Leib.
So reut ihr mich, Rüdiger · und euer herrliches Weib.«
»Das wolle Gott, Herr Gernot · und möcht' es geschehn,
Daß hier nach euerm Willen · alles könnt' ergehn
Und euern Freunden bleiben · Leben möcht' und Leib,
Euch sollten wohl vertrauen · meine Tochter und mein Weib.«
Da sprach von Burgunden · der schönen Ute Kind:
»Wie tut ihr so, Herr Rüdiger? · Die mit mir kommen sind,
Die sind euch all gewogen · ihr greift übel zu:
Eure schöne Tochter · wollt ihr verwitwen allzufrüh.
»Wenn ihr und eure Recken · mich wollt im Streit bestehn,
Wie war' das unfreundlich · wie wenig ließ' es sehn,
Daß ich euch vertraute · vor jedem andern Mann,
Als ich eure Tochter · mir zum Weibe gewann.«
»Gedenkt eurer Treue« · sprach da Rüdiger.
»Und schickt euch Gott von hinnen · viel edler König hehr,
So laßt es nicht entgelten · die liebe Tochter mein:
Bei aller Fürsten Tugend ·
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