Das Nibelungenlied
Übermut Hagens · dessen lohn' ich ihm wohl.
»Laßt keinen aus dem Hause · der Degen allzumal:
So lass' ich an vier Enden · anzünden hier den Saal.
So wird noch wohl gerochen · all mein Herzeleid.«
König Etzels Recken · sah man bald dazu bereit.
Die noch draußen standen · die trieb man in den Saal
Mit Schlägen und mit Schüssen · da gab es lauten Schall.
Doch wollten sich nicht scheiden · die Fürsten und ihr Heer:
Durch ihre Treue ließen · sie voneinander nicht mehr.
Den Saal in Brand zu stecken · gebot da Etzels Weib.
Da quälte man den Helden · mit Feuersglut den Leib.
Das Haus, vom Wind ergriffen · geriet in hohen Brand.
Nie wurde solcher Schrecken · noch einem Volksheer bekannt.
Da riefen viele drinnen · »O weh dieser Not!
Da möchten wir ja lieber · im Sturm liegen tot.
Das möge Gott erbarmen · wie sind wir all verlorn!
Wie grimmig rächt die Königin · an uns allen ihren Zorn!«
Da sprach darinnen einer · »Wir finden hier den Tod
Vor Rauch und vor Feuer · wie grimm ist diese Not!
Mir tut vor starker Hitze · der Durst so schrecklich weh,
Ich fürchte, mein Leben · in diesen Nöten zergeh'!«
Da sprach von Tronje Hagen · »Ihr edlen Ritter gut,
Wen der Durst will zwingen · der trinke hier das Blut.
Das ist in solcher Hitze · besser noch als Wein;
Es mag halt zu trinken · hier nichts Besseres sein.«
Hin ging der Recken einer · wo er einen Toten fand:
Er kniet' ihm zu der Wunde · den Helm er niederband.
Da begann er zu trinken · das fließende Blut.
So wenig er's gewohnt war · er fand es köstlich und gut.
»Nun lohn' euch Gott, Herr Hagen« · sprach der müde Mann,
»Daß ich von eurer Lehre · so guten Trunk gewann!
Man schenkte mir selten · noch einen bessern Wein.
Solang' ich leben bleibe · will ich euch stets gewogen sein.«
Als das die andern hörten · es däuchte ihn so gut,
Da fanden sich noch viele · die tranken auch das Blut.
Davon kam zu Kräften · manches Recken Leib:
Des entgalt an lieben Freunden · bald manches waidliche Weib.
Das Feuer fiel gewaltig · auf sie in den Saal:
Sie wandten mit den Schilden · es von sich ab im Fall.
Der Rauch und auch die Hitze · schmerzten sie gar sehr.
Also großer Jammer · geschieht wohl Helden nimmermehr.
Da sprach von Tronje Hagen · »Stellt euch an die Wand;
Laßt nicht die Brände fallen · auf eurer Helme Band
Und tretet sie mit Füßen · tiefer in das Blut.
Eine üble Hochzeit ist es · zu der die Königin uns lud.«
Unter solchen Nöten · zerrann zuletzt die Nacht.
Noch hielt vor dem Hause · der kühne Spielmann Wacht
Und Hagen sein Geselle · gelehnt auf Schildesrand,
Noch größern Leids gewärtig · von denen aus König Etzels Land.
Da sprach der Fiedelspieler · »Gehn wir in den Saal:
Da wähnen wohl die Heunen · wir seien allzumal
Von der Qual erstorben · die sie uns angetan:
Dann kommen doch noch etliche · zum Streit mit ihnen heran.«
Da sprach von Burgunden · Geiselher das Kind:
»Ich wähn', es wolle tagen · sich hebt ein kühler Wind.
Nun lass' uns Gott vom Himmel · noch liebre Zeit erleben!
Eine arge Hochzeit hat uns · meine Schwester Kriemhild gegeben.«
Da sprach wieder einer · »Ich spüre schon den Tag.
Wenn es denn uns Degen · nicht besser werden mag,
So waffnet euch, ihr Helden · denkt an euren Leib!
Nicht lang', so kommt wieder · über uns König Etzels Weib.«
Der Wirt mochte wähnen · die Gäste wären tot
Von den Beschwerden allen · und von des Feuers Not:
Da lebten doch so Kühner · noch drin sechshundert Mann,
Daß wohl nie ein König · bessre Degen gewann.
Der Heimatlosen Hüter · hatten wohl gesehn,
Daß noch die Gäste lebten · was ihnen auch geschehn
Zu Schaden war und Leide · den Herrn und ihrem Lehn.
Man sah sie in dem Hause · noch gar wohl geborgen stehn.
Man sagte Kriemhilden · noch viele lebten drin.
»Wie wäre das möglich« · sprach die Königin,
»Daß noch einer lebte · nach solcher Feuersnot?
Eher will ich glauben · sie fanden alle den Tod.«
Noch wünschten zu entkommen · die Fürsten und ihr Lehn,
Wenn an ihnen Gnade · noch jemand ließ' ergehn.
Die konnten sie nicht finden · in der Heunen Land:
Da rächten sie ihr Sterben · mit gar williger Hand.
Schon früh am andern Morgen · man ihnen Grüße bot
Mit heftigem Angriff · wohl schuf das Helden Not.
Zu ihnen aufgeschossen · ward mancher scharfe Speer:
Ritterlich sich setzten · die kühnen Recken zur Wehr.
Dem Heergesinde Etzels · war erregt der Mut,
Daß sie verdienen
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