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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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rollen, und das war interessant, was immer Marthe auch dazu sagte. Er stützte sich auf die Theke, während er darauf wartete, daß Marthe ihr Bier ausgetrunken hatte.
    Als bei Sonia die ersten Zeichen des Aufbruchs erkennbar wurden, war er versucht gewesen, ihr zu erzählen, was er in den Ministerien, auf den Straßen, bei den Gerichten, in den Cafés, in der Provinz und in den Büros der Bullen so gemacht hatte. Fünfundzwanzig Jahre Minenräumung nannte er das, Treibjagd auf steinerne Männer und widerliche Gedanken. Zwanzig Jahre Wachsamkeit und zu viele Begegnungen mit Männern mit steinigen Hirnen, die als Einzelgänger umherstreiften, in Gruppen operierten, als Horde gröhlten, dieselben Steine in den Köpfen, dieselben Gemetzel an den Händen, Scheiße. Als Minenräumer hätte Sonia ihn geliebt. Sie wäre vielleicht geblieben, sogar trotz seines steifen Knies, das er sich beim Brand eines vom organisierten Verbrechen betriebenen Hotels in der Nähe von Antibes versengt hatte. Das verleiht einem Mann ein gewisses Flair. Aber er hatte widerstanden und hatte nicht das geringste erzählt. Als einzigen Reiz hatte er nur seine Knochen und sein Wort geboten, als Test. Was das Knie anging, so glaubte Sonia, er sei eine Metrotreppe hinuntergefallen. Solche Sachen machen einen Mann kaputt. Marthe hatte ihn gewarnt, er werde noch enttäuscht werden, Frauen seien nicht besser als alle anderen, da solle man keine Wunder erwarten. Vermutlich hatte auch Bufo die Sache nicht gerade leichter gemacht.
    »Genehmigen wir uns einen, Ludwig?«
    »Du hast genug getrunken, ich begleite dich nach Hause.«
    Nicht, daß Marthe irgendwas riskieren würde, da sie keinen Sou besaß und in ihrem Leben schon viel erlebt hatte, aber wenn es nachts regnete und sie ein bißchen betrunken war, neigte sie dazu, auf die Schnauze zu fallen.
    »Was ist nun mit deiner Fliege?« fragte Marthe, als sie die Bar verließen und sie sich mit einer Hand eine Plastiktüte über den Kopf hielt.
    »Du hast von einer Fliege gesprochen.«
    »Hast du neuerdings Angst vor dem Regen?«
    »Das ist wegen meiner Tönung. Wie seh ich aus, wenn das alles raus läuft?«
    »Wie eine alte Nutte.«
    »Die ich bin.«
    »Die du bist.«
    Marthe lachte. Ihr Lachen war seit einem halben Jahrhundert im ganzen Viertel bekannt. Ein Mann drehte sich um und deutete vage einen Gruß an.
    »Du kannst dir nicht vorstellen«, bemerkte Marthe, »wie der vor dreißig Jahren ausgesehen hat. Ich sag dir nicht, wer das ist, das mache ich nie.«
    »Ich weiß, wer er ist«, erwiderte Louis lächelnd.
    »Sag mal, Ludwig, ich hoffe, du schnüffelst nicht in meinem Adreßbuch rum? Du weißt, daß ich die Regeln meines Berufs respektiere.«
    »Und ich hoffe, daß du das nur sagst, um zu schwatzen.«
    »Ja, um zu schwatzen.«
    »Trotzdem könnte das Adreßbuch Typen interessieren, die weniger gewissenhaft sind als ich, Marthe. Du solltest es vernichten, das hab ich dir schon hundertmal gesagt.«
    »Das sind zu viele Erinnerungen. Diese ganze Hautevolee, die an meine Tür geklopft hat, das mußt du dir mal vorstellen …«
    »Vernichte es, sag ich dir. Das ist riskant.«
    »Was denkst du denn! Die sind alle alt geworden … Wen sollten die Alten denn noch interessieren?«
    »Eine Menge Leute. Wenn du wenigstens nur die Namen hättest, aber du hast doch auch deine kleinen Notizen dazu gemacht, nicht wahr, Marthe?«
    »Sag mal, Ludwig, machst du nicht auch hier und da kleine Notizen?«
    »Red doch leiser, Marthe, wir sind nicht auf dem flachen Land.«
    Marthe hatte schon immer zu laut geredet.
    »Na? Kleine Notizbücher? Untersuchungen? Erinnerungen an Minenräumungen? Hast du das vielleicht alles weggeworfen, nachdem sie dich da oben rausgeschmissen haben? Übrigens, bist du wirklich rausgeschmissen worden?«
    »Sieht so aus. Aber ich habe noch Beziehungen. Sie werden Schwierigkeiten haben, mich loszuwerden. Nimm zum Beispiel eine Fliege.«
    »Meinetwegen, aber ich bin völlig k.o. Kann ich dich was fragen? Dieser verdammte Fluß in Rußland, der immer wieder kommt, mit zwei Buchstaben, sagt dir das was?«
    »Der Ob, Marthe, das hab ich dir schon hundertmal gesagt.«
    Kehlweiler setzte Marthe vor ihrem Haus ab, hörte, wie sie die Treppe hinaufging, und betrat das Café an der Avenue. Es war fast ein Uhr nachts, es waren nicht mehr viele Leute da. Nachzügler wie er. Er kannte sie alle, sein Gedächtnis dürstete immer nach Gesichtern und Namen, dauernd verlangte und bettelte es nach mehr. Was im

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