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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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gesättigter Wollust und geheimer Scham wie ob eines in einem zweideutigen Gasthof befriedigten Verlangens. Er war es, der sie in dieser Weise besaß; er hielt sie in seiner Gewalt, hatte sie sich untertan gemacht, beherrschte sie wie ein Despot, dessen Launen in jeden Haushalt den Ruin tragen. In ihrer seit zehn Jahren sorgfältig genährten Sucht nach Luxus sah er sie trotz vorgerückter Stunde immer noch durch die Stockwerke irren. Frau Marty und ihre Tochter waren jetzt ganz oben in der Möbelabteilung. Von ihren Kindern festgehalten, konnte Frau Bourdelais sich von den Pariser Spezialitäten nicht trennen. Dann kam die höhere Gesellschaft: Frau von Boves, am Arm ihres Schwiegersohnes und gefolgt von Blanche, in jeder Abteilung haltmachend, noch immer mit stolzer Miene die Stoffe besichtigend. Und mitten in diesem Meer von Frauen, die von Lebenskraft und Begierde strotzten und sämtlich mit Veilchensträußen geschmückt waren wie bei der zu einem Volksfest gewordenen Hochzeitsfeier einer Königin, sah er Frau Desforges, die mit Frau Guibal in der Handschuhabteilung stehengeblieben war, sie allein ohne Veilchenstrauß. Trotz ihrer eifersüchtigen Rachsucht kaufte auch sie, und er fühlte sich wieder einmal als Sieger, auch sie lag zu seinen Füßen.
    Mechanischen Schritts ging Mouret durch die Galerien, dermaßen in Gedanken versunken, daß er sich vom Besucherstrom schieben ließ. Als er aufblickte, befand er sich in der neuerrichteten Abteilung für Putzwaren, deren Fenster auf die Rue du Dix-Décembre gingen. Von da aus betrachtete er die hinausströmende Menge. Die untergehende Sonne vergoldete die Giebel der Häuser, der blaue Himmel dieses schönen Tages wurde allmählich fahl, ein frischer Abendwind strich durch die in Dämmerung gehüllten Straßen, die nur vor dem »Paradies der Damen« durch die elektrischen Lampen der Geschäftsräume hell erleuchtet waren. In den Straßen nach der Oper und der Börse zu standen noch immer in dichter Folge die Wagen, jeden Augenblick hörte man eine Nummer oder einen Namen ausrufen, und gleich darauf bog eine Droschke oder ein Privatwagen aus den Reihen, um eine Dame aufzunehmen und sich in schnellem Trab zu entfernen.
    Mouret betrachtete traumverloren dieses Schauspiel; und in diesem seinem Triumph, angesichts der Stadt, die er erobert hatte, angesichts der Frauen, die er beherrschte, empfand er eine plötzliche Schwäche, ein Nachlassen seiner Willenskraft, die Überlegenheit einer höheren Macht. Es war wie ein Bedürfnis, mitten in seinem Triumph überwunden zu werden, der Wahnwitz eines Kriegers, der am Tag nach seinem Sieg sich den Launen eines Kindes fügt. Er, der sich seit Monaten wehrte, der sich noch am Morgen geschworen hatte, seine Leidenschaft zu ersticken, gab auf einmal nach, wie von einem Schwindel erfaßt, glücklich darüber, sich für etwas entschieden zu haben, was er für eine Torheit hielt. Sein so plötzlich gefaßter Entschluß nahm von einer Minute zur anderen solche Festigkeit an, daß er in der Welt nichts Zwingenderes und nichts Notwendigeres mehr sah als dies.
    Am Abend, als die letzte Schicht gegessen hatte, wartete er in seinem Arbeitszimmer. Zitternd wie ein Jüngling, der sein Glück aufs Spiel gesetzt sieht, ging er auf und ab, es duldete ihn nicht auf einem Fleck. Wenn Schritte nahten, klopfte sein Herz heftiger. Jetzt eilte er zur Tür, denn er hatte aus der Ferne ein Gemurmel gehört, das immer näher kam.
    Es war Lhomme, der die Tageseinnahme brachte. Sie wog so schwer, daß er zwei Laufburschen zu Hilfe genommen hatte. Diese trugen in zwei mächtigen Säcken die kleinen Münzen, während er selbst mit den Banknoten und dem Gold vorausging. Keuchend und schwitzend kam er aus dem Hintergrund des Geschäfts, umgeben von der wachsenden Erregung der Verkäufer. Alles war entzückt angesichts dieser wandernden Schätze. Im ersten Stock hatten die Leute in sämtlichen Abteilungen ehrfurchtsvoll Spalier gebildet. Je näher der Kassierer kam, desto höher stieg das Getöse, es war wie der Jubel des Volkes, das das goldene Kalb begrüßt.
    Mouret hatte inzwischen die Tür geöffnet, und Lhomme erschien, von den zwei Burschen gefolgt, die unter ihrer Last fast zusammenbrachen. Der Kassierer hatte gerade noch genug Kraft, um keuchend die Gesamtsumme hervorzustoßen:
    »1 ooo 227 Franken 95 Centimes!«
    Endlich die Million! Eine Million an einem Tag! Die Zahl, von der Mouret so lange geträumt hatte! Dennoch machte er eine zornige Bewegung,

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