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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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leicht wieder findet. Ich denke, er wird sich wegen seines Rheumatismus bald zurückziehen.«
    Das Geschäft Vinçards befand sich in der Rue Neuve-des-Petits-Champs in der Nähe der Passage Choiseul. Es war sauber und hell, ganz modern, aber klein und nur mit einem dürftigen Warenlager versehen. Baudu und Denise trafen Vinçard in angelegentlicher Unterredung mit zwei Herren.
    »Lassen Sie sich nicht stören«, rief der Tuchhändler; »wir haben Zeit und können warten.«
    Er trat aus Höflichkeit in die Tür zurück und flüsterte seiner Nichte zu:
    »Der Magere ist Zweiter in der Seidenabteilung beim ›Paradies der Damen‹; der Dicke ist ein Fabrikant aus Lyon.«
    Denise merkte, daß Vinçard sein Geschäft Herrn Robineau, dem Angestellten aus dem »Paradies der Damen«, aufschwatzen wollte. Er versicherte, sein Haus sei eine wahre Goldgrube. Obgleich er vor Gesundheit strotzte, unterbrach er sich zuweilen, um zu stöhnen und über seine verdammten Schmerzen zu klagen, die ihn daran hinderten, sein Glück wahrzunehmen. Doch Robineau schnitt ihm ungeduldig das Wort ab; er wisse sehr wohl, sagte er, daß für Modeartikel eine kritische Zeit gekommen sei, und er führte eine Seidenfirma an, die durch die Nachbarschaft des »Paradieses der Damen« bereits zugrunde gerichtet sei. Doch Vinçard ereiferte sich und rief laut:
    »Ach ja! Der Untergang dieses Gimpels Vabre war ja vorauszusehen! Seine Frau hat alles verschlungen … Und dann bin ich fünfhundert Meter weit weg, während Vabre sich Tür an Tür neben seinem Konkurrenten befand.«
    Jetzt mischte Gaujean, der Seidenfabrikant, sich ein. Die Stimmen wurden leiser. Er beschuldigte die großen Warenhäuser, daß sie die französische Industrie ruinierten; ihrer drei oder vier diktierten allen übrigen die Preise und beherrschten den Markt. Der einzige Weg, sie zu bekämpfen, sei die Begünstigung des Kleinhandels, besonders der Spezialgeschäfte, denen die Zukunft gehöre. Er stellte denn auch Robineau einen weitgehenden Kredit in Aussicht.
    »Sehen Sie nur, wie das ›Paradies der Damen‹ sich Ihnen gegenüber benommen hat! Da gibt es keine Rücksicht auf geleistete Dienste. Seit langem war Ihnen die Stelle des Ersten in Ihrer Abteilung zugesagt; da kam dieser Bouthemont an, niemand weiß, woher, und nahm Ihnen den Posten vor der Nase weg.«
    Die Wunde, die man Robineau durch diese Ungerechtigkeit geschlagen hatte, war noch frisch. Allein er zögerte, sich selbständig zu machen. Das Geld gehöre nicht ihm, erklärte er; seine Frau habe sechzigtausend Franken geerbt, und er wollte sich lieber beide Hände abhacken lassen, als dieses Geld in zweifelhafte Geschäfte zu stecken.
    »Nein, ich kann mich nicht entschließen«, sagte er endlich. »Lassen Sie mir Bedenkzeit; wir werden noch darüber reden.«
    »Wie Sie wollen«, erwiderte Vinçard und suchte seinen Verdruß zu verbergen. »Es liegt ja nicht in meinem Interesse, das Geschäft zu verkaufen. Hätte ich nicht solche Schmerzen …«
    Dann wandte er sich an Baudu und fragte:
    »Womit kann ich Ihnen dienen?«
    Der Tuchhändler, der mit einem Ohr gelauscht hatte, stellte Denise vor; sie habe zwei Jahre in der Provinz gearbeitet, und da Vinçard eben eine Verkäuferin suche …
    Vinçard tat ganz verzweifelt.
    »Ach, jetzt ist’s zu spät! Acht Tage lang habe ich mich umgesehen, und vor zwei Stunden habe ich eine eingestellt!«
    Alles schwieg. Denise schien so bestürzt, daß Robineau sie teilnahmsvoll betrachtete und sich eine Bemerkung erlaubte.
    »Ich weiß, daß bei uns in der Konfektionsabteilung jemand gesucht wird.«
    Baudu konnte einen Ausruf nicht unterdrücken.
    »Bei Ihnen? Nein, danke bestens!«
    Dann stand er ganz verlegen da. Denise war tief errötet. Sie würde es niemals wagen, dachte sie, in dieses große Warenhaus einzutreten, aber der Gedanke erfüllte sie doch mit Stolz.
    »Warum denn nicht?« fragte Robineau überrascht. »Das wäre doch für das junge Fräulein recht günstig? Ich rate ihr, sich morgen bei der Direktrice, Frau Aurélie, vorzustellen. Es kann ihr ja nichts Schlimmeres passieren, als daß sie nicht angenommen wird.«
    Um seinen Ärger zu vertuschen, verlor sich der Tuchhändler in allerlei verworrenes Gerede. Er kenne Frau Aurélie, meinte er, oder vielmehr ihren Mann, den Kassierer Lhomme, dem doch ein Omnibus den rechten Arm abgefahren habe. Dann kam er ganz unvermittelt wieder auf Denise zu sprechen.
    »Es ist übrigens ihre Sache«, sagte er; »sie kann tun, was sie

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