Stormwalker: Durch das Feuer (German Edition)
1
Ich wusste sofort, dass sie eine Gestaltwandlerin war, als sie mein kleines Hotel betrat. Wolf , dachte ich ihrer hellgrauen Augen wegen, aber ihre menschlichen Züge waren indianisch. Im Kontrast zu ihrer dunklen Haut und ihrem schwarzen Haar wirkten die Augen, die so gar nicht zu dem Rest passen wollten, nur umso erschreckender. Ebenso die Tatsache, dass sie sich verwandelte, noch während sie durch die Lobby rannte, mich am Kragen packte und hart gegen den polierten Empfangstresen knallte.
Ich sah auf in ein Gesicht aus einem Albtraum. Halb gewandelt, waren ihre Nase und ihr Mund lang gestreckt wie die eines Wolfes, und von ihren spitzen Fängen, die aus blutrotem Zahnfleisch ragten, tropfte der Geifer.
Ich hatte auf die Schnelle nichts zu meiner Verteidigung zur Hand. Kein Wölkchen stand am Himmel, kein Gewitter zog auf, das ich rufen konnte, um sie zu bekämpfen. Die Schutzzauber in meinen Wänden hielten zwar üble Biester wie Skinwalker und Nightwalker aus dem Hotel fern, aber Gestaltwandler waren an sich nicht böse. Nur arrogant. Und wenn sie provoziert wurden, griffen sie meist erst an und zerfetzten einen, bevor sie irgendwelche Fragen stellten.
Ich riss den Arm hoch und knallte ihr die Faust gegen den Kiefer, aber sie schüttelte den Schlag ab und krallte sich weiter an mich. Mick konnte mir nicht zu Hilfe kommen, denn er war vor drei Wochen in der Nacht verschwunden, und nicht einmal der magische Spiegel wusste, wo er steckte.
Niemand war im Hotel außer mir und meiner neuen Geschäftsführerin Cassandra in ihrem adretten türkisfarbenen Businesskostüm. Die Touristen waren unterwegs oder hatten noch nicht eingecheckt, der Saloon war noch geschlossen. Wir drei Mädels waren ganz unter uns: eine durchgeknallte Gestaltwandlerin, ein machtloser Stormwalker und eine Hexe mit elegantem blondem Haarknoten, die erschrocken über den Empfangstresen starrte.
»Janet Begay?«, sagte die Wolfsfrau mit von der Verwandlung heiserer Stimme.
»Wer will das wissen?« Ich versuchte, sie wegzutreten, aber sie hatte mich immer noch fest am Kragen und zückte die Klauen, um mir die Kehle aufzureißen.
Auf der anderen Seite des Empfangstresens kreuzte Cassandra die Arme, legte sich die Handflächen auf die Schultern und begann einen Zauberspruch zu singen. Eine tintenschwarze Wolke schlängelte sich aus ihrem Mund, schoss über den Tresen und schlang sich um die Gestaltwandlerin. Sie knurrte, stieß sich von mir ab, machte einen Satz über den Tresen und sprang Cassandra an.
Die Hexe ging zu Boden, die Wolfsfrau auf ihr, und die beiden rangen miteinander, ein wildes Knäuel von türkisfarbener Rohseide und schwarzem Leder. Ich raste hinter den Tresen und packte die Gestaltwandlerin am Haar. Ihr glatter schwarzer Zopf gab mir etwas, woran ich sie festhalten konnte. Ich zog, doch sie war verdammt stark. Sie hatte Cassandras Kopf in den Händen und war kurz davor, ihn auf meine mexikanischen Saltillo-Fliesen zu knallen.
Ich riss einen Talisman aus der Hosentasche, schloss fest die Finger darum und brüllte: »Aufhören!«
Die Gestaltwandlerin erstarrte mitten in der Bewegung, Cassandras Kopf fiel ihr aus den erschlafften Händen und schlug mit einem Rums auf dem Boden auf.
Ich schwenkte den Talisman – ein Büschel Rosmarin, mit Draht und Onyx umwickelt – vor dem Gesicht der Gestaltwandlerin und sagte im Befehlston: »Gehorche!«
Die Gestaltwandlerin richtete sich auf, Fänge und Klauen zogen sich zurück und verschwanden, und ihr Gesicht wurde wieder menschlich. Ihre Augen blieben grau, sie funkelten vor Wut.
Neben ihr stand Cassandra mit den gleichen zwanghaften Bewegungen auf und starrte mich frustriert an.
Ups! Aber ich konnte Cassandra nicht von dem Zauber entbinden, ohne gleichzeitig auch die Gestaltwandlerin wieder daraus zu entlassen. Mick und ich hatten diesen Schutzzauber für Notfälle gewirkt, wenn zum Beispiel eine Skinwalker-Horde angriff. Es war ein pauschaler Zauber, der Angreifer zwar nicht völlig aufhalten, sie aber zumindest ausbremsen konnte, bis Hilfe kam.
»Da rein«, keuchte ich und zeigte auf mein kleines Büro hinter dem Empfangstresen. »Reingehen! Hinsetzen!«
Die Gestaltwandlerin marschierte hinein, sie knurrte immer noch leise. Cassandra folgte ihr wie ein Roboter.
Die beiden Frauen setzten sich nebeneinander auf mein neues Sofa, beide sichtlich fuchsteufelswild. Sie sahen ulkig zusammen aus, die elegante Hotelmanagerin, die trotz des Kampfes kaum derangiert wirkte, und die
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