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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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nebeneinander, aber sie wirkten ganz ruhig, da gab es kein Erröten, kein Lächeln. Seit dem Tag seines Eintritts rechnete Colomban mit dieser Ehe. Er hatte die verschiedenen Stufen gewissenhafter Ausbildung im Haus zurückgelegt, war zuerst Lehrling, dann Gehilfe geworden und zuletzt in den privaten Bereich der Familie einbezogen worden. All dies hatte er geduldig abgewartet, hatte das geregelte Leben eines Uhrwerks geführt und Geneviève wie ein ausgezeichnetes, ehrbares Geschäft betrachtet. Die Gewißheit, daß er sie besitzen werde, hatte dazu geführt, daß er kein Verlangen nach ihr empfand.
    Auch das Mädchen hatte sich daran gewöhnt, ihn zu lieben, aber mit dem Ernst ihrer zurückhaltenden Natur und einer tief eingewurzelten Neigung, deren sie sich selbst kaum bewußt war. Ihre Zärtlichkeit hatte sich in diesem Erdgeschoß des alten Paris entfaltet, sie war wie eine Kellerblüte. Seit zehn Jahren kannte sie nur ihn, an seiner Seite verlebte sie ihre Tage hinter den Tuchstapeln im Dunkel des Ladens; und morgens und abends saßen sie nebeneinander in diesem engen Speisezimmer, wo es kühl war wie in einem Brunnen. Sie hätten draußen im freien Feld, unter dem Laubwerk der Bäume nicht verborgener, nicht unbewußter leben können. Nur ein Zweifel, eine Regung der Eifersucht konnte das junge Mädchen eines Tages zu der Entdeckung bringen, daß es sich in dem mitschuldigen Dunkel dieses Ladens, in der Leere seines Daseins und seiner inneren Unausgefülltheit gänzlich und für immer verschenkt hatte.
    »Aber nun ist genug geplaudert, machen wir den andern Platz!« schloß der Tuchhändler und hob die Tafel auf.
    Jetzt gingen Frau Baudu, der andere Gehilfe und die Verkäuferin zu Tisch. Denise blieb allein in der Nähe der Tür und wartete, bis ihr Onkel Zeit finden werde, mit ihr zu Vinçard zu gehen. Pépé spielte zu ihren Füßen, Jean hatte seinen Posten auf der Schwelle wieder eingenommen. Fast eine Stunde lang beobachtete Denise aufmerksam die Vorgänge im Geschäft. Ab und zu erschien Kundschaft, allein der Laden verlor nichts von seiner anfänglichen Muffigkeit, seinem Halbdunkel, in dem der ganze alte, rechtschaffene, einfache Handel seinen traurigen Niedergang zu beklagen schien. Um so interessanter war das Treiben gegenüber im »Paradies der Damen«, dessen Auslagen man durch die offene Tür sehen konnte. Schon seit dem Morgen empfand Denise eine innere Versuchung. Dieses ungeheure Warenhaus, in das sie binnen einer Stunde mehr Leute eintreten sah als bei Cornaille in sechs Monaten, verwirrte sie und zog sie an; eine unklare Furcht rang in ihr mit dem Verlangen, dort anzufangen. Der Laden ihres Onkels hingegen erweckte ein Gefühl des Unbehagens in ihr. Es war eine Geringschätzung, die sie nicht hätte begründen können, aber sie hegte nun einmal eine unwillkürliche Abneigung gegen die eisige Höhle dieses alten Geschäfts.
    »Die haben wenigstens Kunden«, flüsterte sie vor sich hin. Sogleich bereute sie ihre Worte, als sie die Tante neben sich bemerkte. Frau Baudu stand ganz niedergeschmettert da, ihre glanzlosen Augen auf das Ungeheuer da drüben gerichtet, bei dessen Anblick ihr in stummer Verzweiflung die Tränen kamen. Geneviève dagegen beobachtete mit steigender Unruhe Colomban, der sich unbelauscht wähnte und mit entzückten Blicken die Verkäuferinnen der Konfektionsabteilung betrachtete, deren Ladentische man hinter den Fensterscheiben des Zwischenstocks sehen konnte. Baudu mit seinem galligen Gesicht begnügte sich damit, zu sagen:
    »Nur Geduld! Es ist nicht alles Gold, was glänzt!«
    Er preßte die Lippen aufeinander und wandte sich ab, um nicht länger Zeuge des lebhaften Treibens da drüben sein zu müssen.
    »Wir wollen zu Vincard gehen«, sagte er. »Arbeitsplätze sind jetzt sehr gesucht; morgen wäre es vielleicht schon zu spät.«
    Bevor er ging, gab er dem zweiten Gehilfen den Auftrag, Denises Koffer vom Bahnhof zu holen. Frau Baudu, der Denise Pépé anvertraut hatte, erklärte, sie wolle den freien Moment dazu benützen, den Kleinen nach der Rue des Orties zu Frau Gras zu bringen, um mit ihr ein Übereinkommen zu treffen. Jean versprach seiner Schwester, den Laden nicht zu verlassen.
    »Wir sind in zwei Minuten dort«, sagte Baudu zu seiner Nichte, während sie durch die Rue Gaillon gingen. »Vinçard hat sich auf Seiden spezialisiert, sein Geschäft läuft noch einigermaßen. Natürlich hat er zu kämpfen wie jeder, obgleich er ein Geizkragen ist, wie man ihn nicht

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