Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Buhl
Vom Netzwerk:
und duckte sich gleichzeitig vor Angst, denn Max war wütend. Engelhardt wollte nicht wissen, warum, er wollte ihn besänftigen, aber wusste nicht, wie.
    Sarah stand plötzlich auf dem Kopf, das war schädlich, das sagte er ihr, die Haarwurzeln dürfen nicht vererden, im Gegenteil, versonnen müssen sie, je höher man sie trägt, umso besser, nur darum haben die Menschen den aufrechten Gang entwickelt, damit sie ihr Haupt nahe der Sonne tragen, aber sie lachte ihn aus, Bradtke lachte, sogar Wilhelm, ein Haufen Ungläubiger, nur David sah ihn ernst an, aber einer war nicht genug. Seine ganze Insel hatte er ihnen geopfert, sein Leben, dabei wollte keiner von ihnen wirklich verstehen, vielleicht deswegen der Schrei, den er erstaunt hörte, sodass er den Kopf drehte, um festzustellen, wo er herkam, als ihn die Stimmbänder schmerzten, und er merkte, dass er selbst schrie, der Schmerzensschrei seiner Insel über das, was mit ihr geschah, sie schrie durch ihn hindurch, und er packte das Grammophon, stürzte es in den Sand, riss den Tonarm ab, zertrat den Trichter und schleuderte die Platte übers Meer, die weit davonsegelte, von einem Aufwind ergriffen in die Höhe stieg und im Himmel verschwand. Trotzdem hörte die Musik nicht auf, immer weiter sang die Stimme von Reisen und Blumen, irren Hunden, dem Mond. Er presste sich die Hand auf die Ohrmuscheln. Die Liebe liebt das Wandern, Gott hat sie so gemacht. Max hatte das Lied gemocht. Mit ihm hatte er es gehört, auch jetzt saß er irgendwo in der Nähe, er konnte es spüren. Die Stimme verstummte schließlich, das Klavier spielte monotone Achtel, Hoffnungslosigkeit fiel aus den Tönen auf ihn. Wilhelm legte ihm den Arm um die Schultern, aber er wollte keine Arme mehr spüren und keine Menschen mehr sehen, das sagte er ihnen, dass sie hier falsch waren und nie ankommen würden, und Franz-Karl nickte, das habe er auch schon gemerkt und ein paar der anderen auch, die schon abgereist seien, Bella zum Beispiel oder Jonathan, aber einen Versuch sei es wert gewesen. Andere stimmten ihm zu, auch Wilhelm, nur David sagte, ich bin ein reiner Kokovore, seit Wochen schon, ich achte deine Worte, aber das hörte er kaum, außerdem hatte er keine Lust mehr auf Worte, die einer sagte, er wollte lesen und spüren, wie die Stimme des Autors sanft in ihm tönt, sich eine ganze Welt öffnet und nicht nur ein Mund. Das Postschiff kommt morgen, wir können fahren, sagte Wilhelm, ist es das, was du willst?, und er nickte. Endlich einer, der ihn verstand. Muss selbst den Weg mir weisen, in dieser Dunkelheit, sang es übers Meer.
    Vom Dorf der Schwarzen her hörte er Trommeln, die Schuberts Winterreise übertönten. Glockenklang aus dem Norden, der Pater läutete gegen das Heidentum an. Die Sonne fiel ins Meer. Das Singsing begann. Anna würde in ihrer Hütte warten, dass er sie holt. Er ging am Wasser entlang. Die Wellen rauschten durch seinen Körper. Er schwankte wie Seetang. Die Sterne sendeten Botschaften, die er nicht verstand, stattdessen hörte er das tiefe Brummen des Vollmondes, der aus dem Meer kroch und eine klebrige Spur über den Himmel zog. Engelhardt kletterte auf eine Palme. Die Arme waren jetzt stark genug. Oben hielt er sich lange fest und versuchte ein Teil des Baumes zu werden. Er blieb Mensch, erntete eine Nuss, stieg enttäuscht wieder runter, trank das Kokoswasser, ging weiter. Ein breites Grinsen verzog sein Gesicht. Er mochte es nicht, konnte es aber nicht wegwischen, es hatte sich eingefressen und blieb.
    Der Schein des Feuers in Walters Dorf spiegelte sich in den Palmwedeln, die wie Riesenspinnen auf den Stämmen lauerten. Das Tor war verschlossen. Keiner antwortete auf sein Klopfen. Die Trommeln waren lauter geworden. Hier hörte er kaum die Glocken der Kirche, nur manchmal, wenn der Wind richtig stand, ein helles Läuten wie aus der Kindheit. Das Tor war zu, aber heute würde ihn keiner bremsen. Er erinnerte sich an die Axt in der Lichtung und tastete sich durch den Wald dorthin. Manchmal lag ein Fleck Mondlicht auf dem Weg wie verschüttete Kokosmilch. Ein Paradiesvogel klagte.
    Die Axt steckte noch im Rumpf einer Palme. Sie war scharf und schwer. Er legte sie sich über die Schulter. Das Tor splitterte schon beim ersten Schlag, ein grelles Jammern, als sich die Angeln verbogen, aber er schlug weiter, im Takt der Trommeln, um sein Werk zu vollenden.
    Als Erstes kam Martha, kampfbereit, scharrte mit ihren dicken Füßen im Sand, sah die Axt, wich zurück, stieß gegen

Weitere Kostenlose Bücher