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Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Buhl
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fraßen an den Fellen der Hunde. Ein Huhn verlief sich, wurde gepackt und geschlachtet. Immer mehr Tanzgruppen zur gleichen Zeit, die sich übertreffen wollten. Die Trommler spielten drei oder vier Takte gleichzeitig. Sein Körper franste an den Rändern aus und zerfloss. Walburga Silberman strich ihm übers Haar, reichte ihm noch eine Schale mit Kava. Er sah sie und ihr ganzes Leben, von der armseligen Kindheit in Frankfurt über die Versuche mit der Schauspielerei und die Varietes, in denen sie halbnackt tanzte, bis zu den Kuren im Jungborn. Er drehte den Kopf weg, denn so viel wollte er gar nicht wissen. Sie ging, aber immer noch spürte er ihre Hand in den Haaren, wischte sich darüber, aber das Gefühl blieb, als würde sie ihm für immer über den Kopf streichen.
    Ein Trommler spuckte auf das Fell, um es zu stimmen. In seiner Nase ein Eberzahn. Auf dem Kopf eines anderen Schnäbel des Nashornvogels. Eine Panflöte aus Bambus. Engelhardts Hände konnten kaum das Bananenblatt halten, das Kabua ihm reichte. Ein Stück Fleisch aus dem Ofen, lange gegart. Kabua sah ihn an. Der alte Engelhardt hätte das nicht gegessen, aber er war jetzt frei und jenseits von Sünde und Schuld und biss vorsichtig ab. Das erste Fleisch seit mehr als zehn Jahren. Der Geschmack pulste durch seinen ganzen Körper. Das war die Rinderhüfte, die seine Mutter manchmal sonntags gekocht hatte. Der Schweinebraten an Weihnachten, der Baum stand geschmückt in der Ecke, der Vater las das Lukas-Evangelium vor. Die gefüllten Koteletts von Tante Liesel, die immer von Hans erzählte, ihrem armen Mann, der viel zu früh gestorben war, und die dicke Tantentränen auf ihren Teller weinte. Die Schnitzel bei Sonntagsausflügen, in Butterschmalz ausgebraten, im Schatten der Kastanienbäume, dazu manchmal ein kleines Bier, wenn sein Vater es erlaubte. Das Filet bei den Besuchen der Großeltern, das Großvater nie durch genug war. Ein grünliches Stück Pferdefleisch, das ihm in Frankreich vorgesetzt wurde. Sauerbraten. Leberle. Rinderrouladen. Flambiertes Pfeffersteak. Hirschmedaillons in Weißweinsoße. Zwiebelrostbraten. Kalbsröllchen. Saure Leber. Königsberger Klopse. Schweinshaxe, schön kross, zuerst die ganze Haut abziehen, immer das Beste zuerst essen, wer weiß schon, was kommt, hatte sein Bruder gemeint. Engelhardt machte es umgekehrt. Hackfleischbällchen. Nieren. Rollbraten. Spanferkel, das hatte er nur einmal gegessen, bei einem Ausflug mit einem Lehrer. Hasenrücken in Wacholdersoße. Lammkeule mit Fenchelknollen, das war in der Schweiz gewesen. Ochsenschwanzsuppe. Labskaus. Kaninchenfrikassee.
    Er nahm den zweiten Bissen. Er war fest genug und doch zart, leicht salzig, schmeckte nach den Bananenblättern, in denen er gegart worden war, dem Feuer, den heißen Steinen und der Kokosmilch. Der dritte Biss. Engelhardt wurde gieriger. Der vierte. Nie hatte ihm etwas so gut geschmeckt. Das letzte Stück schlang er ohne zu kauen hinunter. Mehr, sagte er zu Kabua. Der lächelte. August ist endlich ein Tolai geworden.
    Er brachte ihm eine schwere Keule. Engelhardt fasste den Knochen und nagte ihn ab. Blut troff in seinen Bart und trocknete dort. Eine Gruppe Frauen tanzte die Geburt eines Kindes. Von fern her die Glocken des Paters, leise und verzweifelt, als hätte er schon lange keine Kraft mehr zum Läuten. Auf einer der Hütten saß Max und winkte ihm zu. Walburga reichte ihm Kava. Noch immer ihre Hand auf seinem Kopf, aber er gewöhnte sich daran. Er schmeckte Tafelspitz. Gulasch und Wildschweinragout. Hin und wieder das Gefühl, als ob sein Herz neben dem Körper schlägt. Er stopfte noch mehr Fleisch in den Mund, schielte auf die Keule, es war noch genug dran, er würde satt werden, sah einen kleinen Kreis, nicht größer als eine Zehn-Pfennig-Münze, darin ein Kreuz, fraß weiter, immer lauter die Trommeln, dazu die Glocken, das Akkordeon, mit dem Max jetzt spielte, der Ruf der Triton-Muscheln, Flöten. Er biss noch einmal ab, starrte auf das Kreuz im Kreis, die Tätowierung, hörte auf zu kauen. Die Zeit gelierte. Sein Herz pumpte flüssiges Zinn durch die Glieder. Das Zeichen, eingeritzt mit dem Wandermesser, auch an einem Feuer, in einem anderen Leben. Blut war über die Arme gelaufen. Die Tinte brannte in der Wunde. Eine Männerumarmung. Heiliger Schwur. Nie wieder, mein Freund, nie wieder mein Bruder. Stolz waren sie gewesen. Sie hatten etwas für die Ewigkeit getan. Später entzündete sich der Arm. Seine Zwillingsnarbe am Arm glühte.

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