Das Paradies
bald sterben. Khadija fragte sich, was ›bald‹ für einen Engel bedeuten mochte. Es gab nämlich noch soviel zu tun. Viele ihrer Enkel und Urenkel mußten verheiratet werden, und Khadija nahm sich vor, gleich am nächsten Tag mit Samirs Mutter zu sprechen. Ihr war nicht entgangen, daß Samir schon den ganzen Abend Zeinab zulächelte. Und er war in letzter Zeit ständig unter durchsichtigen Vorwänden in der Paradies-Straße aufgetaucht und rot geworden, sobald er Zeinab sah. Khadija nahm sich vor, auch mit Jasmina und Amira zu sprechen. Sie würden dem Jungen eine Wohnung finanzieren müssen, denn er stand erst am Anfang seiner Karriere als Arzt und würde sich eine Praxis aufbauen müssen. Nun ja, es war nicht die erste schwierige Ehe, die sie in der Familie stiftete …
Wenn sie das Brautpaar sah und an die Zukunft dachte, dann wurde ihr leicht ums Herz. Sie mußte sich nicht mehr so große Sorgen machen, nachdem der Fluch von den Raschids genommen war. Das wußte Khadija, denn sie hatte noch ein Geheimnis, aber das teilte sie nur mit Gott.
Sie blickte auf das imposante Bild von Ali Raschid und dachte: Ich habe dir vergeben. Auch du bist nur das Werkzeug eines Mächtigeren gewesen, und das Schicksal hatte uns alle geprüft. Du wirst auf die Erde zurückkommen müssen, wenn Gott es so will.
Ich weiß jetzt, daß du mit deinem Freund al-Sabir das mörderische Massaker an meiner Familie geplant und durchgeführt hast. Ihr habt es für einen Fürsten getan, der euch dafür reich entlohnte. Dieser Fürst und nicht Prinz Abdullah wurde durch die mörderische Intrige zum Führer der Stämme.
Ali, du hast mich zu deiner Frau gemacht, denn du wolltest eine Nachfahrin der Scherifen zur Mutter deiner Söhne haben. Du wolltest auf deine Weise das Geschehene wiedergutmachen. Aber das Schicksal konntest du nicht betrügen, denn dein Sohn hat nur Töchter bekommen, die Aristokratie hat ihre Macht verloren. Die Welt hat sich schon bald nach deinem Tod verändert.
Ich habe durch meine Töchter und Enkeltöchter gelernt, welche Kraft wir Frauen besitzen. Ich sehe deutlich unsere Aufgabe. Das Gleichgewicht zwischen Mann und Frau zu finden, das wird die Aufgabe der kommenden Generationen sein.
Mit einem Blick auf Dahiba und Jasmina, die zum Klang der wehmütigen Flöte die Zuschauer in ihren. Bann zogen, dachte Khadija: Ich muß meine Schwäche, die Sklavin eines Mannes zu sein, endgültig überwinden. Das ist der Fluch der Frauen, und ich habe ihn bezwungen.
Dahibas und Jasminas Tanz endete mit dem Furioso der Trommeln. Alle brachen in Jubel aus. Auch Khadija klatschte Beifall.
Ja, die Raschids waren ihre Familie geworden. Aber noch war das Ziel nicht erreicht. Noch drohten der neuen Generation große Gefahren, denn in ihrem Bewußtsein wurde sie noch von der unseligen Vergangenheit geprägt. Khadija mußte an ihrer Seite stehen, bis der Schritt in die neue Zeit getan war.
Sie gelobte Gott, sobald ihr Werk vollbracht sei, würde sie zu ihrer Mutter ins Paradies gehen. Aber sie mußte diese Reise aufschieben, denn die Familie brauchte sie noch. Im nächsten Jahr, vielleicht auch im übernächsten, würde es soweit sein.
Über Barbara Wood
Barbara Wood ist international als Bestsellerautorin bekannt. Allein im deutschsprachigen Raum liegt die Gesamtauflage ihrer Romane weit über 13 Mio., mit Erfolgen wie ›Rote Sonne, schwarzes Land‹, ›Traumzeit‹, ›Kristall der Träume‹, ›Das Perlenmädchen‹ und ›Dieses goldene Land‹. Die Recherchen für ihre Bücher führten sie um die ganze Welt. 2002 wurde sie für ihren Roman ›Himmelsfeuer‹ mit dem Corine-Preis ausgezeichnet. Barbara Wood stammt aus England, lebt aber seit langem in den USA in Kalifornien.
Im Fischer Taschenbuch Verlag ist das Gesamtwerk von Barbara Wood erschienen:
›Rote Sonne, schwarzes Land‹, ›Traumzeit‹, ›Herzflimmern‹, ›Sturmjahre‹, ›Lockruf der Vergangenheit‹, ›Bitteres Geheimnis‹, ›Haus der Erinnerungen‹, ›Spiel des Schicksals‹, ›Die sieben Dämonen‹, ›Das Haus der Harmonie‹, ›Der Fluch der Schriftrollen‹, ›Nachtzug‹, ›Das Paradies‹, ›Seelenfeuer‹, ›Die Prophetin‹, ›Himmelsfeuer‹, ›Kristall der Träume‹, ›Spur der Flammen‹, ›Gesang der Erde‹, ›Das Perlenmädchen‹ und ›Dieses goldene Land‹, sowie die Romane von Barbara Wood als Kathryn Harvey, ›Wilder Oleander‹, ›Butterfly‹ und ›Stars‹.
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