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Das Parfum: die Geschichte eines Mörders

Das Parfum: die Geschichte eines Mörders

Titel: Das Parfum: die Geschichte eines Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Süskind
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Aus der Bucht kam ein leichter fischiger Wind. Die Hunde schliefen.
    Grenouille ging zur äußeren Tennenluke, an die eine Leiter gelehnt stand. Er hob die Leiter ab und balancierte sie aufrecht, drei Sprossen unter den freien rechten Arm geklemmt, den überstand gegen die rechte Schulter gepresst, über den Hof bis unter ihr Fenster. Das Fenster stand halb offen. Als er die Leiter hinaufstieg, bequem wie auf einer Treppe, beglückwünschte er sich zu dem Umstand, den Duft des Mädchens hier in Napoule ernten zu dürfen. In Grasse, bei vergitterten Fenstern und streng bewachtem Haus, wäre alles sehr viel schwieriger gewesen. Hier schlief sie sogar allein. Er brauchte nicht einmal die Zofe auszuschalten.
    Er drückte den Fensterflügel auf, schlüpfte in die Kammer und legte das Laken ab. Dann wandte er sich dem Bett zu. Der Duft ihres Haares dominierte, denn sie lag auf dem Bauch, und sie hatte das Gesicht, vom Armwinkel umrahmt, ins Kissen gedrückt, so dass sich ihr Hinterkopf in geradezu idealer Weise dem Keulenschlag präsentierte.
    Das Geräusch des Schlages war dumpf und knirschend. Er hasste es. Er hasste es allein deshalb, weil es ein Geräusch war, ein Geräusch in seinem ansonsten lautlosen Geschäft. Nur mit zusammengebissenen Zähnen konnte er dieses ekelhafte Geräusch ertragen, und nachdem es vorüber war, stand er noch eine Weile lang steif und verbissen da, die Hand um die Keule gekrampft, als fürchte er, das Geräusch könne zurückkehren als widerhallendes Echo von irgendwoher. Es kehrte aber nicht zurück, sondern die Stille kehrte zurück in die Kammer, eine vermehrte Stille sogar, da nun nicht einmal mehr der schlürfende Atem des Mädchens ging. Und alsbald löste sich Grenouilles verspannte Haltung (die man vielleicht auch als eine Ehrfurchtshaltung oder eine Art verkrampfter Schweigeminute hätte deuten können), und sein Körper sank geschmeidig in sich zusammen.
    Er steckte die Keule weg und war nun nur noch von emsiger Betriebsamkeit erfüllt. Als erstes faltete er das Beduftungstuch auseinander, breitete es locker mit der Rückseite über Tisch und Stühle und achtete darauf, dass die Fettseite unberührt blieb. Dann schlug er die Bettdecke zurück. Der herrliche Duft des Mädchens, der plötzlich warm und massiv aufquoll, berührte ihn nicht. Er kannte ihn ja, und genießen, genießen bis zum Rausch, würde er ihn später, wenn er ihn erst wirklich besaß. Jetzt ging es darum, möglichst viel davon einzufangen, möglichst wenig verströmen zu lassen, jetzt waren Konzentration und Eile geboten.
    Mit raschen Scherenschnitten schlitzte er das Nachtgewand auf, zog es ihr aus, ergriff das befettete Laken und warf es über ihren nackten Körper. Dann hob er sie hoch, strich ihr das überhängende Tuch unter, rollte sie ein wie ein Bäcker den Strudel, falzte die Enden, umhüllte sie von den Zehen bis an die Stirn. Nur ihr Haar schaute noch aus dem Mumienverband hervor. Er schnitt es dicht über der Kopfhaut ab, packte es in ihr Nachthemd, das er zu einem Bändel verknotete. Zuletzt klappte er ein freigelassenes Stück Tuch über den geschorenen Schädel, strich das überlappende Ende glatt, tupfte es mit zartem Fingerdruck fest. Er überprüfte das ganze Paket. Kein Schlitz, kein Löchlein, kein aufgekniffenes Fältlein klaffte mehr, an dem der Duft des Mädchens hätte entweichen können. Sie war perfektverpackt. Es blieb nichts mehr zu tun, als zu warten, sechs Stunden lang, bis der Morgen graute.
    Er nahm den kleinen Sessel, auf dem ihre Kleider lagen, trug ihn ans Bett und setzte sich. In dem weiten schwarzen Gewand hing noch der zarte Hauch ihres Duftes, vermischt mit dem Geruch von Anisplätzchen, die sie als Reiseproviant in die Tasche gesteckt hatte. Er legte seine Füße auf den Bettrand, in die Nähe ihrer Füße, deckte sich mit ihrem Kleid zu und aß die Anisplätzchen. Er war müde. Aber er wollte nicht schlafen, denn es gehörte sich nicht, dass man während der Arbeit schlief, auch wenn die Arbeit nur aus Warten bestand. Er erinnerte sich an die Nächte, die er in der Werkstatt Baldinis beim Destillieren verbracht hatte: an den rußgeschwärzten Alambic, an das flackernde Feuer, an das leise spuckende Geräusch, mit dem das Destillat aus dem Kühlrohr in die Florentinerflasche tröpfelte. Von Zeit zu Zeit hatte man nach dem Feuer sehen müssen, hatte Destillierwasser nachfüllen, die Florentinerflasche wechseln, das erschöpfte Destilliergut ersetzen müssen. Und dennoch war

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