Das Pestkind: Roman (German Edition)
Pferde oder Kühe standen auf den Weiden rund ums Haus, Staub tanzte, vom heißen Wind aufgewirbelt, über den Boden, und unter einem Holzkarren saßen zwei Katzen, die ihn misstrauisch musterten. Die Stille zeigte auf grausame Art und Weise den Tod.
Pfarrer Angerer straffte die Schultern, ging auf das Haupthaus zu, öffnete die Tür und betrat den dämmrigen Flur. Die Luft war abgestanden, und es stank nach Erbrochenem, Exkrementen und verfaultem Essen. In der Stube befand sich niemand. Teller mit schimmeligen, vertrockneten Essensresten waren noch auf dem Tisch, unter dem ein Schuh lag. In einer Ecke neben der Ofenbank standen ein Spinnrad und ein Korb mit Wolle und Strickzeug. Der Pfarrer ging weiter.
Die Küche war ebenfalls leer. Im Spülstein stapelten sich Tonteller und Becher, und der Ofen war erkaltet, ein Topf mit Eingebranntem darauf.
Das Fenster war verschlossen, die Hintertür sogar verriegelt.
Er wandte sich ab und stieg die Treppe nach oben, doch weder in den Schlafräumen des Gutsherrn noch in den Gesindekammern fand er das Mädchen.
Er trat wieder auf den Hof, schloss die Tür hinter sich und ging in den leeren Stall. Herumliegender Dung und Mist erinnerten daran, dass hier einst Ziegen, Kühe und Schweine gestanden hatten.
Kopfschüttelnd wandte sich der Pfarrer ab und wollte den Stall gerade wieder verlassen, da drang plötzlich ein seltsames Geräusch an sein Ohr, und er hielt inne.
Ein Summen. Ganz leise nur, aber es war da.
Er ging in die Mitte des Stalles und blickte sich um. Das Summen hörte nicht auf. Suchend schritt er durch den Stall und schaute in jeden Verschlag. Sein Blick blieb an einer schmalen Bretterwand hinter dem Schweinekoben hängen. Einige der Bretter waren schief. Neugierig trat er darauf zu und schob sie zur Seite. Sofort schlug ihm fürchterlicher Gestank entgegen. Eine Mischung aus Kot, Urin und süßlichem Früchteduft raubte ihm den Atem. Im Dämmerlicht entdeckte er Marianne, die ihn mit großen Augen ansah. Ihre Wangen waren, soweit er es bei dem schwachen Licht erkennen konnte, verschmiert, und ihre schwarzen Löckchen ringelten sich wirr um ihr Gesicht. Sie hielt ein halb gefülltes Einmachglas in der Hand und hatte ihren Daumen im Mund. Pfarrer Angerer lächelte erleichtert. Krank sah die Kleine auf den ersten Blick nicht aus.
»Marianne, Kind, da bist du ja«, sagte er freundlich und streckte die Hand nach ihr aus.
Sie wich zurück.
»Nicht rausholen!« Ihr Blick war trotzig. »Die Alma hat gesagt, ich soll hier drinbleiben. Bald wird sie kommen und mich holen. Hier bin ich sicher. Sind wir alle immer sicher, wenn sie kommen.«
Pfarrer Angerer atmete tief durch. Anscheinend saß die Kleine nicht zum ersten Mal in diesem Verschlag. Wie oft sie sich hier vor Marodeuren versteckt hatten, konnte er nur erahnen. Bei näherem Hinsehen bemerkte er jetzt auch einige Decken, einen Tonkrug und Becher.
Warum die alte Magd das Mädchen hierhergebracht hatte, konnte er nur vermuten.
Langsam sank er in die Hocke, sah Marianne fest in die Augen und entschuldigte sich innerlich beim Herrgott für seine Lüge.
»Sie hat mich geschickt, damit ich mich um dich kümmere. Sie selbst kann das im Moment nicht.«
Misstrauisch sah ihn die Kleine an, kam dann aber doch näher.
Erleichtert zog der Pfarrer das Kind aus dem Verschlag, nahm es auf den Arm und verließ sofort den Stall.
»Wo sind die Hühner?«, fragte Marianne verwundert.
»Vielleicht fortgelaufen.« Der Geistliche betrachtete Marianne näher. Sie war schmutzig und stank erbärmlich. Ihr Haar war zerzaust und verklebt, und ihre Finger waren voller Marmelade und Brotkrümel, aber sie schien gesund zu sein. Es war ein Wunder. Alle hier waren gestorben, nur dieses kleine Mädchen lebte und war putzmunter.
»Ich habe Durst.« Marianne begann, auf seinem Arm zu zappeln. »Wo ist Alma?«
Der Priester ließ die Kleine nicht los.
Im Innenhof stand ein Brunnen, doch der Sauberkeit des Wassers traute er nicht. Das Grauen dieses Ortes ergriff Besitz von ihm, und er wollte nur noch weg von hier.
»Du bekommst gleich etwas zu trinken.« Beruhigend strich er dem Mädchen über die Schulter, während er eiligen Schrittes den Hof verließ. »Ich verspreche es dir. Ich bringe dich jetzt ins Pfarrhaus. Gewiss bist du hungrig. Lydia, meine Magd, wird sich um dich kümmern. Sie kann sehr gut kochen.«
Marianne begann zu weinen und wild um sich zu schlagen. Seine Worte interessierten sie nicht. »Lass mich runter! Nicht
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