Das Pestzeichen
auf ihrem Rücken sichtbar«, erklärte Bendicht rasch.
Arthur gab sich damit anscheinend zufrieden, denn er sagte freudestrahlend: »Endlich bist du gekommen.« Doch dann wurde sein Blick ernst. »Du bist doch gekommen, um mich zu holen? Oder wirst du wegen der Krankheit …«
»Natürlich«, rief Susanna hastig. »Heute löse ich mein Versprechen ein«, erklärte sie und versuchte zu lächeln.
Neugierig blickte Arthur zwischen dem fremden Mann und dem Burschen hin und her, die neben Susanna standen.
»Wo ist deine Mutter?«, fragte Susanna.
»In der Küche.«
»Und dein Vater?«
»Beim Köcker, saufen!«
Susanna ging auf die Hütte zu und betrat die Küche, wo ihre Muhme Gemüse putzte. »Sei gegrüßt«, sagte sie zaghaft.
Agnes blickte erschrocken auf. Als sie ihre Nichte erkannte, fragte sie mürrisch: »Was willst du hier?«
»Ich möchte Arthur zu mir nehmen.«
»Was heißt das?«, fauchte Agnes und schob den Topf zur Seite.
»Ich weiß, dass Arthur nicht Alberts leiblicher Sohn ist und dass der Junge darunter zu leiden hat. Als ich von hier fortging, habe ich Arthur versprochen, ihn zu holen, sobald es mir möglich ist. Nun ist es soweit. Vertrau mir deinen Sohn an, damit ich ihm ein besseres Leben bieten kann.«
Abschätzig blickte Agnes Susanna an, die mit schmutzigen und abgerissenen Kleidern vor ihr stand. »Du willst mich wohl zum Narren halten? Sieh dich an! Was kannst du meinem Sohn bieten, was er hier nicht bekommen könnte?«
»Ich weiß, das mag dir sonderbar erscheinen, aber ich würde nicht vor dir stehen, wenn ich nicht die Mittel hätte, für Arthur und mich zu sorgen. Ich werde nach Trier gehen und dort ein neues Leben beginnen.« In Gedanken fügte Susanna hinzu: Und falls ich sterbe, wird Bendicht ihm das ermöglichen, denn er hat es mir versprochen.
In diesem Augenblick hörte man Agnes’ Mann Albert schreien: »Arthur, du Taugenichts, komm sofort hierher, sonst setzt es Prügel!«
Susanna blickte Agnes flehend an. »Auch du kannst mit deinen Kindern kommen. Ich werde für euch sorgen, das verspreche ich dir. Du bist die einzige Verwandte, die ich noch habe«, flüsterte sie unter Tränen.
Agnes schüttelte den Kopf. Auch ihre Augen wurden feucht. »Ich gehöre zu meinem Mann. Aber nimm meinen Sohn mit und sorge für ihn«, sagte sie leise und wollte Susannas Hand ergreifen, die diese ihr entzog. Agnes führte die Geste darauf zurück, dass sie die Nichte aus dem Haus geworfen hatte, und flüsterte: »Verzeih mir!«
Susanna nickte und schwor: »Ich werde dafür sorgen, dass es Arthur an nichts mangelt, Muhme.«
Agnes ging mit ihr hinaus und umarmte weinend ihren Sohn. Dann ließ sie ihn mit Susanna ziehen.
–·–
Barbli begrüßte überschwänglich ihren Sohn Urs und ihren Schwager. Als sie Susanna erblickte, sagte sie leise: »Grüezi di«, und das Mädchen antwortete schüchtern: »Ich grüße dich auch.«
Barbli schaute von Susanna zu dem Knaben an Bendichts Hand.
»Er ist Susannas Vetter«, erklärte der Schwager kurz in seiner Muttersprache.
Barbli nickte dem Jungen freundlich zu, der sie mit großen Augen betrachtete. »Wir sollten Hochdeutsch reden«, sagte sie lächelnd und schaute wieder zu Susanna und ihrem Sohn, der unruhig seine Hände knetete. Nachdenklich betrachtete sie die beiden, als Urs seinen Oheim anblickte.
Bendicht wusste, was seinen Neffen beschäftigte. In Gedanken zählte er erneut die Tage seit der Abreise zusammen. Ein letztes Mal blickte er Susanna prüfend an, ob er bei ihr Zeichen der Seuche an Hals, Gesicht oder Armen erkennen konnte. Dann holte er tief Atem, trat an die Seite seines Neffen und flüsterte ihm zu: »Die Gefahr ist gebannt! Susanna ist gesund.«
Mit einem leisen Aufschrei zog Urs Susanna an sich, die ihn erschrocken anblickte und von sich stoßen wollte. Doch ein Blick in Bendichts Richtung verriet ihr, was der Heiler seinem Neffen soeben zugeraunt hatte, und erleichtert schloss sie kurz die Augen. Dann schmiegte sie sich in Urs’ Arme.
Barbli konnte sich auf das Verhalten ihres Schwagers und ihres Sohnes keinen rechten Reim machen. Sie spürte nur, dass unter ihnen plötzlich große Freude herrschte.
»Mutter …«, wollte Urs erklären, doch Barbli schüttelte den Kopf.
»Du musst mir nichts erklären, mein Sohn. Ich freue mich für euch beide.«
Nachwort
Liebe Leserinnen und Leser,
bevor ich Ihnen erläutere, was in meinem Roman Das Pestzeichen meiner Fantasie entsprungen und was Realität ist, lassen Sie
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