Das Pete Buch 05 - Wer schleicht denn da herum
beabsichtigt, aber es machte ihm nichts aus, denn er kam auf diese Weise wenigstens einigermaßen weich zu Boden. Die Dame aber kreischte entsetzt auf. Sam wollte sie beruhigen und fuhr ihr liebkosend mit der Krokodilszunge kreuz und quer übers Gesicht, was die erschreckte Dame veranlaßte, prompt in Ohnmacht zu fallen und gegen einen älteren Herrn an ihrer Seite zu sinken. Der hatte jedoch keine Lust, ihr Zweizentnergewicht lange in den Armen zu halten und ließ sie ganz einfach zur Erde gleiten.
Sam nutzte die entstandene Verwirrung aus und sprang mit einem Gebrüll, das wie eine Kreuzung aus Wolfsgekläff und Krokodilsgefauche klingen sollte, auf und davon. Aber der Weg zu Pete, der noch auf der Bühne stand, war ihm verbaut; dort standen jetzt nicht nur die beiden Leute, welche die Puppen auf ihre Wägelchen setzten und die Texte sprachen, sondern auch die Männer, die sonst über der Bühne auf dem Bauch lagen und an den Schnüren zogen, hatten sich eingefunden. Es befand sich unter ihnen auch ein junges Mädchen, und Sam nahm an, bei diesem einige Chancen zu haben. Also sprang er lustig auf sie zu, nahm sie so artig in die Arme, als habe er vor, mit ihr einige Runden zu schwenken, drückte sie jedoch sofort wieder dem ihm am nächsten stehenden Verfolger liebevoll in die Arme. Auf diese Weise gewann er einen Vorsprung von fünfzehn Sekunden, welche er dazu benutzte, in den Park hinauszu-büchsen. Hier sprang er zunächst auf den ersten besten Baum zu, weil er glaubte, dort am sichersten zu sein, wenn es ihm nur gelänge, hinaufzukommen. Aber er dachte nicht daran, daß sich Wolfsfüße kaum zum Klettern eignen. Also gab er die Sache nach dem ersten Versuch wieder auf, kroch einem Verfolger, der ihn eingeholt hatte, in dem Moment zwischen den Beinen hindurch, als dieser nach ihm greifen wollte, und entwischte so tatsächlich in allerletzter Sekunde. Er hatte jetzt vor, sich irgendwo im Gebüsch zu verkriechen, um erst einmal das komische Wolfskrokodilskostüm loszuwerden, das ihm sehr hinderlich war.
Während der ganzen Zeit krächzte der Papagei auf seiner Stange ununterbrochen sein „Hilfe! Mord!". Es gab ein ganz wundervolles Durcheinander. Sam fühlte sich in seinem Element.
Seine Verfolger tobten wie Wilde im Garten umher, und die Sommersprosse genoß dieses Schauspiel. Sam liebte jeden Klamauk; es war nun einmal eine Leidenschaft von ihm. Die Gäste übrigens nahm er als Gegner nicht ernst; das waren Stadtmenschen und denen pflegte die Puste bereits nach den ersten dreißig Schritten auszugehen. Die beiden Diener und die Puppenspieler wogen dagegen schon schwerer; aber auch sie fürchtete er nicht. Er beschloß, sie ein wenig zu ärgern; gewissermaßen als kleine Kraftprobe. Also kroch er wieder aus den Büschen heraus und lief schnurgerade auf die Leute zu, die hinter ihm her rannten. Dabei brüllte er wie ein ganzes Rudel Löwen und fuhr mit den Armen durch die Luft wie eine verrückt gewordene Windmühle. Er erreichte damit, was er erreichen wollte: Die Männer sprangen fluchend auseinander, als er in ihre Nähe kam, die Damen rafften die weiten Röcke zusammen, als hätten sie Furcht, er werde sie in die Waden beißen, und die ganz feinen Herren taten, als hätten sie keine Lust, sich an dem seltsamen Ungeheuer zu vergreifen und traten deshalb vornehm beiseite. Nur die beiden Diener mit den Stöcken ließen sich nicht einschüchtern. Aber diese mußten bald einsehen, daß Sam doch schneller war als sie.
Er lief zunächst einmal vergnügt eine Ehrenrunde rund um den Rasenplatz; immer, wenn er genügend Vorsprung zu haben glaubte, legte er einen Handstand ein oder schlug Rad. Dabei gab er die seltsamsten Laute von sich; er grunzte wie ein Schwein, bellte wie ein Hund, knurrte wie ein Tiger, miaute wie eine Katze und muhte wie ein Kalb, das die Mutter verloren hat. Als ihm endlich die Puste auszugehen drohte, tauchte er wieder in den Büschen unter, als sei er vom Erdboden verschluckt worden.
Pete aber stand immer noch auf der Bühne, denn er hatte Pech. Die Schnüre, die an seinen Hand- und Fußgelenken befestigt waren, bildeten bessere Fesseln als die Handschellen von Hilfssheriff Watson.
Während die wilde Jagd hinter dem Wolfskrokodil hertobte, kümmerte sich kein Mensch mehr um ihn. Pete blieb stumm wie ein Holzklotz, der er ja auch eigentlich zu sein hatte! Er rechnete damit, daß man ihn total vergessen werde; dann ergab sich sicher eine Gelegenheit, sich zu befreien. Aber er wurde
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