Das Pete Buch 05 - Wer schleicht denn da herum
bißchen, nachdem man mich beinahe hereingelegt hätte. Gleich nach ihnen kam ein Mann in den Raum. Er nahm die Papiere aus den Schwanenfedern und versteckte sie unter der Perücke einer Puppe. Jetzt reichte mir's aber! Ich dachte, zum Schluß geht das Zeug doch wirklich noch verloren, und nahm es lieber an mich. Als ich dann im Sack versteckt nach der Salem-Ranch reiste —"
„Wie?" wunderte sich Mr. Dudley. „Sack? Salem-Ranch? Das ist doch —"
Johnny sprach schnell weiter. Ihm lag nichts daran, zu viele Einzelheiten zu verraten. „Ja, und nachdem ich mich auf Halbohr müde geritten hatte, band ich die Papiere einfach in ein Reittuch, das ich im Vorratshaus fand, und tat es ihm um den Hals. Halbohr wird sie schon ordentlich bewachen, dachte ich, und er hat's ja auch getan!"
„Ganz gleich, wie sie hierherkommen!" entschied Mr. Dudley zufrieden. „Die Hauptsache ist, ich habe sie wieder! Und nun — natürlich vergeßt ihr nicht, daß ihr alle meine Gäste im Gran Canyon seid!"
„Mr. Watson!" flüsterte Pete dem Hilfssheriff zu, der den Mund immer noch nicht zugemacht hatte. „Vielleicht begeben Sie sich jetzt einmal nach dem trockenen Brunnen an der Eiche. Da sitzen die beiden Gauner drin, die das Ganze angezettelt haben! Holen Sie sie heraus und sperren Sie sie ein, damit Sie nicht mit leeren Händen nach Somerset zurückkommen!" —
Und dann, vierzehn Tage später, kam der große Tag der Abreise. Ganz Somerset war auf den Beinen; Mr. Watson hatte natürlich im ganzen Town bekanntgegeben, welcher hohen Ehre sein lieber Neffe gewürdigt worden war. Jimmy als Gast des Konservenkönigs! Große Dinge kündeten sich an! Die lieben Somerseter würden aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen! Und dieses war erst der Anfang aller Wunder! Nun ja, daß Pete und die andern von diesem lächerlichen „Bund der Gerechten" auch mitdurften — war eine unverdiente Gnade! Eine Gnade, die sie einzig und allein Jimmy Watson verdankten! Der hatte in unverständlicher Großmut und in der hohen Güte, die sein Gemüt auszeichnete, bei Mr. Dudley ein gutes Wort für sie eingelegt, weil er nur dafür lebte, anderen Menschen Freude zu machen!
Auf dem Platz vor dem Sheriffs-Office von Somerset fuhr etwas vor, was man im Town bisher noch nicht gesehen hatte: ein Omnibus! Ehrfürchtig umkreisten ihn die Eingeborenen, betrachteten und begutachteten ihn von allen Seiten. Der Mann, der im Cordanzug vorn am Steuer saß, mußte ein Teufelskerl sein, wenn es ihm gelungen war, dieses riesenhafte Ungetüm wohlbehalten nach Somerset zu bringen!
Langsam kamen die Reisenden herbei; der „Bund der Gerechten" trudelte geschlossen ein. Ganz zum Schluß erschien der Kastenwagen der Salem-Ranch. Mammy Linda war wie durch die Dampfmangel gedreht; natürlich hatte die Last sämtlicher Vorbereitungen auf ihr gelegen! Dazu wurde sie von drohenden Sorgen gequält: Wie würde man auf der Salem-Ranch ohne sie zurechtkommen?
Die Schwarze thronte auf dem Bock neben dem Cowboy, der den leeren Wagen wieder zurückbringen sollte; sie trug ihr bestes Sonntagskleid aus geblümtem Kattun. Hinten saß Dorothy, Pete und Sam, geschniegelt und so gescheuert, daß ihre Haut rosarot glänzte — wie ein Affenpopo, hatte Sam respektlos gesagt, als ihn Mammy nach endloser, von ihr selber vorgenommener Bürsterei endlich aus den Fingern gelassen. — Sie führten eine Unmenge Gepäck mit sich: In selbstgezimmerten Käfigen saß ihre ganze Menagerie, und neben dem Wagen her lief Halbohr, der sich nicht in einen Käfig hatte sperren lassen wollen. Pete hätte sterbensgern auch Black King, den schwarzen Hengst, mitgenommen, aber eingesehen, daß es in einem Omnibus voller Jungen — das alte und das junge Mädchen zählten natürlich nicht! — keinen Platz für ihn gab.
Mammy Linda stand mit eingestemmten Armen auf den Stufen vor dem Sheriffs-Office und überwachte das Einladen des Gepäcks. Daß Mr. Tunker, der Sheriff, neben ihr stand, erfüllte sie mit besonderer Genugtuung. Sie liebte ihn in einer verborgenen Falte ihres riesigen Herzens ganz besonders. Als alle im Bus waren, stieß Tunker sie sanft in die Seite. „Einsteigen, Mammy!" sagte er. „Der Fahrer wartet nur noch auf Euch!"
Worauf Mammy vor plötzlicher Rührung eine Träne wegwischte, die ihr in die Augen kam. Dann tat sie etwas, was sie zwei Minuten vorher nicht für möglich gehalten hätte: Sie umarmte Mr. Tunker, drückte ihm einen schallenden Kuß auf die Backe und flüsterte ersterbend:
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