Das Pete Buch 05 - Wer schleicht denn da herum
wenigstens dafür, daß auch sie etwas von der Farbe abbekam, die ihn zierte, und als sie ihn endlich aus ihren Armen entließ, war ihr Gesicht bunt wie ein Feldblumenstrauß.
Endlich gab sie ihn frei. Sam dachte daran, sich dünnzumachen, und wollte sich mit einem gewaltigen Satz ins Wasser stürzen, um ans andere Ufer zu schwimmen. Schließlich konnte er nicht gut nasser werden, als er schon war, und die, die noch trocken waren, folgten ihm sicher nicht. Aber er kam nicht mehr dazu.
Denn noch bevor er zum Sprung ansetzen konnte, faßte ihn der Mann mit der Glatze und hielt ihn so eisern fest wie vorhin die Mutter des süßen Johnny. „Ich weiß nicht, wer du bist, Bürschchen!" sagte Mr. Dudley gerührt. „Das ist mir auch einerlei! Du scheinst aber ein ganz famoser Kerl zu sein! Du hast unserm süßen Johnny das Leben gerettet! Das werden wir dir nie vergessen!" Sam ging vorsichtshalber schon jetzt in die Kniebeuge, denn er fürchtete, nun wieder geküßt zu werden. Aber Mr. Dudley hatte nicht die Absicht. „Komm' mit ins Haus!" bat er und ergriff seine Hand.
„Ich möchte mich lieber empfehlen!" erwiderte der Rotkopf artig. „Wir sollten unsere Wirtschafterin draußen an der Mauer treffen; es ist nicht ratsam, sich zu verspäten."
Aber Mr. Dudley wollte nichts davon wissen. Sam versuchte, sich loszumachen; es gelang ihm jedoch nicht. Er befürchtete, von all den Leuten, die um sie herumstanden und ihn anstaunten, gefeiert zu werden. An Ovationen lag ihm noch weniger als am Küssen!
Mammy Lindas „geflügeltes" Abenteuer — Auch Konservenkönige sind nur Menschen — Aber ihre „Bohnensuppe mit Speck" ist Dreck! —
In diesem Moment schrie es wieder „Hilfe! Mord!" Dann schrie noch jemand.
Sam erkannte die Stimme sofort. Das war sein Freund Pete! Die Sommersprosse konnte sich zwar nicht denken, was seinen Freund veranlaßte, so zu brüllen, aber da beide gewohnt waren, einander zu Hilfe zu kommen, wenn sie in Not gerieten, sagte er nur ein kurzes „Excuse, Sir!" zu Mr. Dudley und entschlüpfte ihm.
Er rannte auf den Baum zu, von dem der erschreckte Ruf gekommen war. Auf halbem Wege stieß er schon mit Pete zusammen. Auf dessen Kopf thronte jetzt der Papagei. Der schlug mit den Flügeln, schrie in einem fort „Hilfe! Mord!" und wenn er ausnahmsweise einmal eine Sekunde lang nicht schrie, hackte er erbost nach Petes Ohren, als habe er die Absicht, sie zu Spinat zu zerpflücken. Er hatte Pete hinter dem Baum erspäht, es nicht für richtig gehalten, daß sich jemand dort verbarg, und auf seine Art eingegriffen — auf eine für Pete sehr schmerzhafte Weise allerdings.
Sam sprang auf den Freund zu und machte scheuchende Bewegungen mit den Armen; es sah aus, als sei er plötzlich selber zum Papagei geworden. Der Vogel nahm den Angriff als ein amüsantes Spiel, gab seinen Logenplatz auf Petes Kopf auf, setzte mit häßlichem Krächzen zur Landung auf Sams Struwwelkopf an und krallte sich schließlich in den Drahthaaren des Jungen fest. Nun aber schrie Sam sofort los, als ob er am Spieße stäke.
Jetzt war Pete an der Reihe, den Freund zu retten. Es gab ein jämmerliches Tohuwabohu: Der Papagei schrie, Sam jaulte, Mr. Dudley brüllte, die nasse Mrs. Dudley kreischte, alle anderen Damen und Herren der Gesellschaft schrien eben aus Gesellschaft mit — der einzige, dem die Sache wirklich Spaß machte und der sich köstlich amüsierte, war der süße Johnny im triefenden Nachthemd!
Man lockte den Papagei, scheuchte ihn, tat dies und jenes, und in all das fürchterliche Durcheinander scholl plötzlich eine Stimme, die wie die Posaune des Jüngsten Gerichtes klang: Das war Mammy Lindas Stimme!
Die dicke Negerin schaute mit der Nasenspitze über den Rand der Mauer, die den Park des Generalshauses umgab. Ihre Augen kullerten wie Eier in der Pfanne, die sich weigern, Setzeier zu werden.
„Was das sein?" schrie sie zornbebend. „Ich natürlich gewußt, daß wieder diese Pete und Sam — oh! Nägel zu meine arme Sarg! Ganz dicke, eiserne Nägel!"
Dann tat sie mit einmal etwas, was ihr niemand zugetraut hätte: Sie stemmte sich stöhnend und pustend mit einem Ruck ihrer Arme, die Elefantenbeinen glichen, an der Mauerkrone in die Höhe. Mit einem zweiten Ruck schwang sie die Beine über den Mauerrand. Drei Sekunden lang saß sie verschnaufend oben auf der Mauer. Schließlich ließ sie sich ins Gras hinunterplumpsen. Sie fiel wie ein Mehlsack. Als sie auf dem Boden aufkam, dröhnte es, als sei ein Erdbeben
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