Das Phantom im Netz
später noch rächen. Shawn bewahrte die Nachricht auf, warum auch immer, und spielte sie jemandem von der Sicherheit bei Novell vor. Dieser Sicherheitsmensch gab die Nachricht dann an das Dezernat für Hightech-Kriminalität in San Jose weiter. Die Polizisten konnten die Stimme keinem Verdächtigen zuordnen. Aber einige Monate später schickten sie das Band zum FBI in Los Angeles in der Hoffnung, dass man dort etwas damit anfangen konnte. Das Band landete schließlich auf dem Schreibtisch von Special Agent Kathleen Carson. Sie steckte es ins Abspielgerät auf ihrem Tisch, drückte auf »Play« und lauschte. Sie wusste sofort: Das ist Kevin Mitnick, der Hacker, nach dem wir suchen.
Kathleen rief bei der Sicherheit von Novell an und sagte: »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute ist, wir kennen die Identität Ihres Hackers – es ist Kevin Mitnick. Die schlechte Nachricht ist, dass wir keine Ahnung haben, wo er ist.«
Viele Jahre später traf ich Shawn Nunley, und wir wurden gute Freunde. Ich bin froh, dass wir inzwischen über die ganze Geschichte lachen können.
Nach der Erfahrung mit Novell wählte ich als neues Ziel einen der größten Hersteller von Mobiltelefonen: Nokia.
Ich rief als Ingenieur von Nokia USA in San Diego bei der Nokia-Niederlassung in Salo, Finnland, an. Schließlich wurde ich mit einem Mann namens Tapio verbunden. Er klang sehr nett, und ich schämte mich ein wenig dafür, dass ich ihn für meine Zwecke ausnutzte. Ich fragte ihn trotzdem nach dem aktuellen Quellcode für das Nokia-121-Telefon. Er kopierte die neueste Version in ein temporäres Verzeichnis auf seinem Benutzerkonto und übertrug es dann auf meine Bitte (per FTP) zu Colorado Supernet. Am Ende des Gesprächs hatte er keinerlei Verdacht geschöpft und bot mir sogar an, ich könne mich jederzeit melden, wenn ich wieder etwas bräuchte.
Alles war so glatt gelaufen, dass ich versuchen wollte, direkten Zugang zum Nokia-Netzwerk in Salo zu bekommen. Ein Anruf bei einem IT-Mitarbeiter dort erwies sich allerdings als problematisch, denn er sprach nur sehr schlecht Englisch. Vielleicht war ein Anruf bei einer Nokia-Niederlassung in einem englischsprachigen Land ergiebiger. Ich fand eine Niederlassung in Camberley in England. Dort sprach ich mit einer IT-Mitarbeiterin, Sarah, die mit einem herrlich starken britischen Akzent sprach und so viel Slang benutzte, dass ich sehr aufpassen musste.
Ich benutzte meine Standardentschuldigung, erzählte von »Problemen mit der Netzwerkverbindung zwischen Finnland und den USA und der wichtigen Datei, die übertragen werden muss«. Sie sagte, in der Firma gebe es keine direkten Einwahlmöglichkeiten, aber sie könne mir die Einwahlnummer und das Passwort für »Dial Plus« geben. Damit bekäme ich über ein paketvermitteltes X25-Netzwerk eine Verbindung zum VMS-System in Camberley. Sie gab mir eine X25-Nutzeradresse – 234222300195 – und bot an, das Konto auf dem VAX-System, das ich brauchte, für mich anzulegen.
An diesem Punkt platzte ich fast vor Ungeduld und Aufregung, weil ich damit mein Ziel erreichen würde, nämlich in »Mobira«, ein VMS-System, das von der Entwicklungsabteilung für Mobiltelefone bei Nokia benutzt wurde, einzudringen. Ich loggte mich in das Konto ein und nutzte eine Schwachstelle aus, durch die ich volle Administratorrechte bekam. Dann gab ich den »show users«-Befehl ein, mit dem ich eine Liste aller gerade eingeloggten Nutzer bekam, die zum Teil so aussah:
Benutzer-name
Prozessname
PID
Terminal
CONBOY
CONBOY
0000C261
NTY3:
(conboy.uk.tele.nokia.fi)
EBSWORTH
EBSWORTH
0000A419
NTY6:
(ebsworth.uk.tele.nikia.fi)
FIELDING
JOHN FIELDING
0000C128
NTY8:
(dylan.uk.tele.nokia.fi)
LOVE
PETER
LOVE
0000C7D4
NTY2:
([131.228.133.203])
OGILVIE
DAVID
OGILVIE
0000C232
NVA10:
(PSS.23420300326500)
PELKONEN
HEIKKI P
ELKONEN
0000C160
NTY1:
(scooby.uk.tele.nokia.fi)
TUXWORTH
TUXWORTH
0000B52E
NTY12:
([131.228.133.85])
Sarah war nicht eingeloggt. Großartig: Das hieß, sie schenkte dem, was ich in dem System tat, nicht viel Beachtung.
Als Nächstes installierte ich mein modifiziertes Chaos-Computer-Club-Patch für das VMS-Loginout-Programm, mit dem ich mich über ein spezielles Passwort in jedes Konto einloggen konnte. Als Erstes sah ich in Sarahs Konto nach, ob sie Zugang zu Mobira in Salo hatte. Ich führte ein paar einfache Tests durch und stellte fest, dass ich mit ihrem Konto über ein Netzwerkprotokoll namens DECnet verbunden war und ihr Passwort nicht
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