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Das Phantom im Netz

Titel: Das Phantom im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Mitnick , William L. Simon
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andauernd passieren.
    Ich fragte, ob er eine SecurID habe. Wie erwartet lautete die Antwort »Ja«, also fuhr ich fort. »Ich hole mir mal Ihren SecurID-Antrag.« Das war pures Glücksspiel. Ich wusste, dass er wahrscheinlich irgendwann ein Formular ausgefüllt hatte, und hoffte nun, er würde sich nicht mehr erinnern, ob darin nach einem Passwort gefragt worden war. Da ich ja wusste, dass eines seiner Passwörter »mary« lautete, rechnete ich damit, dass es ihm bekannt vorkam und er annehmen würde, dass er es auf dem SecurID-Antrag angegeben hatte.
    Ich stand auf, ging ein paar Schritte, öffnete eine Schublade, schob sie wieder zu, trat wieder ans Telefon und raschelte mit Papieren.
    »Ach ja, hier steht es. Sie haben das Passwort ›mary‹ angegeben.«
    »Stimmt«, stellte er zufrieden fest. Und nach kurzem Zögern platzte er heraus: »Also gut, mein Passwort ist ›bebop1‹.«
    Voll reingefallen.
    Ich stellte sofort eine Verbindung zu dem Server her, von dem Alisa mir erzählt hatte, und loggte mich mit »steveu« und »bebop1« ein. Ich war drin!
    Ich musste nicht lange suchen, um mehrere Versionen des MicroTAC-Ultra-Lite-Quellcodes zu entdecken. Ich archivierte und komprimierte sie mit tar und gzip und transferierte sie zum Colorado Supernet. Dann nahm ich mir noch die Zeit, Alisas History-Datei zu löschen, in der man nachlesen könnte, um was ich sie gebeten hatte. Ist immer besser, keine Spuren zu hinterlassen.
    Den Rest des Wochenendes stöberte ich herum. Ab Montagmorgen rief ich nicht mehr beim NOC an, um mir ein Passwort geben zu lassen. Es war eine prima Sache gewesen, aber es bestand kein Grund, das Schicksal herauszufordern.
    Ich glaube, ich hatte die ganze Zeit ein Lächeln im Gesicht. Wieder einmal konnte ich kaum fassen, wie einfach es gewesen war. Niemand hatte mir Steine in den Weg gelegt. Ich hatte das schöne Gefühl, etwas erreicht zu haben, und spürte eine ähnliche Zufriedenheit wie früher als Kind, wenn ich im Miniteam einen Homerun geholt hatte.
    Noch am selben Tag fiel mir aber irgendwann auf, dass ich den Compiler vergessen hatte! Ein Compiler ist ein Programm, das den von einem Programmierer geschriebenen Quellcode in einen maschinenlesbaren Code übersetzt – die Einsen und Nullen, die ein Rechner oder der Prozessor in einem Mobiltelefon verstehen kann.
    Das war also die nächste Herausforderung. Hatte Motorola seinen eigenen Compiler für den 68HC11-Prozessor im MicroTac verwendet, oder hatte man ihn von einer Softwarefirma erworben? Und wie könnte ich an den Compiler gelangen?
    Ende Oktober bekam ich durch das regelmäßige Überfliegen von Westlaw und LexisNexis einen Artikel über Justin Petersens neuestes Abenteuer zu lesen. Zuweilen schaut das FBI weg, wenn ein vertraulicher Informant nicht ganz den Regeln folgt, aber es gibt da Grenzen. Wie sich herausstellte, hatte sich Kevin Poulsens Partner Ron Austin, den Justin Peterson hatte hochgehen lassen, auf einen persönlichen Rachefeldzug begeben, um es dem Spitzel heimzuzahlen und dessen Arsch erneut in den Knast zu befördern. Austin fand heraus, wo Justin wohnte – an eben der Adresse am Canyon Boulevard, zu der mich McGuires Handyprotokolle geführt hatten. Justin war unachtsam. Er schredderte seine Notizen nicht, bevor er sie wegwarf. Austin durchsuchte alle Mülleimer im Haus und fand Beweise, dass Justin immer noch Kreditkartenbetrug beging. Er informierte das FBI.
    Als der stellvertretende Staatsanwalt David Schindler genügend Beweise in der Hand hatte, lud er Justin und seinen Anwalt im Bundesgericht von Los Angeles vor. Als Justin seinen FBI-Kontakten und dem Staatsanwalt gegenüberstand, wusste er, dass seine Tage gezählt waren.
    Irgendwann im Laufe des Gesprächs meinte Justin dann, er wolle mit seinem Anwalt unter vier Augen sprechen. Die beiden verließen den Raum. Nach einigen Minuten kam der Anwalt zurück und verkündete betreten, sein Klient sei verschwunden. Der Richter gab einen Haftbefehl aus, in dem von vorneherein ausgeschlossen wurde, dass Justin auf Kaution freikommen könnte.
    Der Schnüffler, der dazu beigetragen hatte, dass ich ins Gefängnis gekommen war, saß nun also im selben Boot wie ich. Auch er war auf der Flucht.
    Ich grinste vergnügt. Der staatliche Oberinformant in Sachen Hacking war verschwunden. Und selbst wenn sie ihn irgendwann entdeckten, war es mit seiner Glaubwürdigkeit vorbei. Sie würden ihn niemals benutzen können, um gegen mich auszusagen.
    Später erfuhr ich noch von

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