Das Prinzip Uli Hoeneß
Schön. »Mit solchen Spielern zu arbeiten, das macht einfach glücklich.«
Nur zehn Tage nach dem EM-Triumph des Teams, das als beste deutsche Nationalelf aller Zeiten in die Geschichte einging, gewann Uli Hoeneß seinen zweiten Vereinstitel. Nach dem 33. Spieltag der Saison 1971/72 führten die Bayern die Tabelle mit einem Punkt Vorsprung vor den Schalkern an, die am letzten Spieltag, gleichsam zu einem Finale, noch nach München mussten. Es war das erste Bayern-Spiel im Olympiastadion, das mit 80.000 Zuschauern ausverkauft war und dem Verein die erste Millioneneinnahme seiner Geschichte bescherte. Die »Roten« spielten grandios auf und schlugen die »Königsblauen« mit 5:1. Hoeneß’ Treffer zum 4:1 war das Tor Nr. 100 der Bayern in dieser überragenden Saison, in der sie insgesamt 101 Tore schossen und Schalke zwar nur um drei Punkte, aber um 22 Tore übertrafen. Das Sturm-Tandem Gerd Müller (40 Tore) und Uli Hoeneß (13 Tore) hatte mit 53 Toren einen Rekord aufgestellt, der erst 2008/09 von dem Wolfsburger Duo Grafite/Dzeko um einen Treffer überboten werden sollte.
Keine Medaille, aber eine schöne Zeit
Die Triumphe bei der Europameisterschaft und in der Bundesliga waren Uli Hoeneß, der ja nach wie vor als Amateur firmierte, noch nicht genug. Nun wollte er auch noch mit der Amateur-Nationalmannschaft, für die er als Siebzehnjähriger debütiert hatte, bei den Olympischen Spielen in München nach »Gold« greifen. Trainer Jupp Derwall hatte für den Bayern-Star eine Führungsrolle vorgesehen, doch das olympische Fußballturnier lief dann sowohl für Uli Hoeneß wie für das deutsche Team äußerst enttäuschend. Schon ein Vorbereitungsspiel in Flensburg gegen Schweden, das mit 1:5 verloren ging, ließ Böses erahnen. Der Nationalspieler, zuvor noch jubelnd begrüßt, wurde mit Pfiffen verabschiedet. Im August war die Derwall-Elf bei Olympia zunächst erfolgreich, allerdings ohne wesentliche Mithilfe des im Bayern-Trikot so erfolgreichen Stürmers. 13 Tore gab es in der Vorrunde gegen namenlose Gegner wie Malaysia, Marokko und die USA, doch keines ging auf das Konto von Uli Hoeneß, der zudem nach einem indisponierten und undisziplinierten Auftritt im ersten Spiel vorübergehend auf die Bank verbannt worden war. In der Zwischenrunde musste das Team alle Medaillenträume begraben. Einem 1:1 gegen Mexiko und einem 1:4 gegen Ungarn folgte, im ersten Aufeinandertreffen zweier deutscher Mannschaften überhaupt, ein 2:3 gegen die DDR, dem späteren Gewinner der Bronzemedaille. Gegen die Ostdeutschen – deren Team übrigens weitgehend identisch war mit jenem, das zwei Jahre später bei der Weltmeisterschaft für Furore sorgen sollte – schoss Uli Hoeneß sein einziges Tor im gesamten Turnier. Mit fünf Toren wesentlich besser hatte sein Sturmkollege Ottmar Hitzfeld abgeschnitten, ein beim FC Basel kickender Vertragsamateur, von dem man viel weniger erwartet hatte.
Der Kleinverdiener Hitzfeld hatte den neureichen Hoeneß während des Turniers fast ungläubig bestaunt: »Er ist mit dem Porsche rumgefahren, während wir im Mannschaftsbus saßen.« Porschefahren sei nicht unbedingt leistungsfördernd, meinten denn auch einige Kommentatoren wie Gerhard Seehase, der in der »Welt« zu dem Urteil kam, in Hoeneß’ schwachen Leistungen komme das Problem eines zum »Star« erhobenen Spielers zum Ausdruck, der an seinen eigenen Erwartungen scheitert. Der Gescholtene selbst, der nun nach 22 Spielen seine Karriere in der Amateur-Nationalmannschaft beendete, wollte freilich nicht der Alleinschuldige sein. Er kritisierte das mangelhafte Zusammenspiel und machte den hohen und letztlich unerfüllbaren Erwartungsdruck, der auf ihm gelastet habe, als Ursache für die enttäuschenden Leistungen aus.
Weder Prämien noch Ruhm hatte es bei den Olympischen Spielen gegeben – und doch sollte sich Uli Hoeneß in späteren Jahren immer wieder gerne an diese Wochen zurückerinnern. »Ich habe als aktiver Olympiateilnehmer 1972 bis zum Attentat eine der schönsten Zeiten meines Lebens verbracht, im Dorf. Diese Ungezwungenheit, diese Fröhlichkeit. Diese Dinge muss man erlebt haben, um die Begeisterung für Olympia im Herzen zu tragen.« Uli Hoeneß war einer, der sich für die olympische Idee aufrichtig begeistern konnte. Aber natürlich blieb er darüber immer ein kühl kalkulierender Profi. Das heißt: Ein solcher musste der bisherige »Olympia-Amateur« in der Wirklichkeit des Fußballerlebens erst noch werden. Vor dem
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