Das Prinzip Uli Hoeneß
Das Pfund, das Uli Hoeneß als Fußballspieler in die Waagschale werfen konnte, war nicht eine ausgefeilte Technik, sondern er lebte in seiner gesamten Karriere vor allem von Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer und einer enormen Kaltschnäuzigkeit im Abschluss. Und dann hatte er noch eine weitere Stärke, die man auf keinem Trainingsplatz der Welt üben kann: Selbstbewusstsein und unbedingte Fixierung auf den Erfolg.
Feri Beseredi, Trainer der Jugend und später auch der 1. Mannschaft von Ulm 1846, ließ den jungen Hoeneß zunächst meist als Verteidiger spielen. Auf dieser Position, meinte er, könne er seine Stärken – Schnelligkeit, Robustheit, Kampfkraft – am besten zur Geltung bringen. Die taktische Order lautete, den Gegner im richtigen Moment mit plötzlichen Tempovorstößen in Bedrängnis zu bringen. Auf diese Weise entwickelte sich ein Reißertyp, der die gegnerischen Abwehrreihen durcheinanderwirbelte und später wegen seiner Schnelligkeit vor allem als Konterspieler gefürchtet werden sollte. Was ihm fehlte, war eine gewisse Disziplin in der Defensivarbeit. Der junge Offensivverteidiger, der seine Altersgenossen an Kraft und Größe übertraf, interpretierte seine Aufgabe oft wie ein Stürmer, und deswegen schrieb ihm Beseredi vor, immer wieder zur Trainerbank zu sehen und erst auf Anweisung nach vorne zu gehen. Mit sechzehn trainierte der frühreife Schüler bereits bei den Erwachsenen, als Siebzehnjähriger kickte er mit einer Sondergenehmigung für die erste Mannschaft. Beseredi: »Da war sofort ein neuer Wind in der Mannschaft, die Alten haben sich an ihm ein Beispiel genommen. Die standen oft schon unter der Dusche, da trainierte der Uli immer noch am Kopfballpendel.«
Zu diesem Zeitpunkt war das Talent aus Ulm schon längst beim DFB aufgefallen. Nach Lehrgängen in Frankfurt, Heilbronn und Hamburg war der DFB-Trainer Udo Lattek von dem Neuling so begeistert, dass er ihn gleich zum Kapitän der Schüler-Nationalmannschaft bestimmte: Der Junge habe nicht nur sportliches Talent, er sei zudem »schon eine richtige Persönlichkeit«. Wie zuvor Beseredi zeigte er sich begeistert, dass der Nachwuchsspieler trotz seiner jungen Jahre schon genau wusste, was er wollte. Im April 1967 gab es gegen die Auswahl Englands den ersten großen Auftritt für Uli Hoeneß, Schauplatz war das Berliner Olympiastadion. Solche Spiele waren damals noch eine Seltenheit – die Schüler-Nationalmannschaft spielte zu dieser Zeit nur ein- bis zweimal jährlich gegen britische Mannschaften – und fanden daher als Nachwuchsschau auch bei Journalisten eine gewisse Beachtung. Bei dem überragenden 6:0-Sieg des deutschen Teams wurde aus dem fünfzehnjährigen Schüler Hoeneß über Nacht ein bejubelter Nachwuchsstar. »Ein Haller im Taschenformat«, überschrieb die »Berliner Zeitung« ihren Spielbericht unter Bezugnahme auf den bekannten Nationalspieler aus Augsburg, der 1966 mit Deutschland im Wembley-Stadion Vize-Weltmeister geworden war. »Mit zwei wunderbaren Alleingängen brachte der Halbrechte Uli Hoeneß die deutsche Schüler-Nationalmannschaft im Berliner Olympiastadion auf die Bahn ihres 6:0-Sieges über England. In der 3. und in der 25. Minute spazierte der blonde Jüngling von Ulm 1846 vom Mittelfeld aus mit geschickten Körpertäuschungen durch die ganze englische Abwehr und ließ auch Torhüter Cuff keine Chance.« Eine Sportzeitung kommentierte: »In ein paar Jahren ist dieser Gymnasiast der Star eines Ligateams, wenn nicht der Nationalelf, oder wir werden nie wieder eine Voraussage wagen.« Tore in dieser Art, meist als Konter vorgetragen, sollte Hoeneß später noch öfter schießen; unwiderstehliche Sololäufe, kaltblütig abgeschlossen, wurden geradezu sein Markenzeichen.
Am 22. September 1968 gab der »Haller im Taschenformat« nach drei Schüler-Länderspielen sein Debüt in der Jugendnationalmannschaft, für die er insgesamt 17-mal antrat. Als sich das Jugendteam des DFB im Januar 1969 in einem israelischen Kibbuz auf die Qualifikation zur Europameisterschaft in der DDR vorbereitete, berichtete der Hobby-Journalist Hoeneß in der »Südwest-Presse« voller Stolz von den im Trainingslager herrschenden »Profibedingungen«. Beim EM-Turnier selbst durften sich die von Autogrammjägern und Spähern der Bundesligavereine umlagerten Spieler bereits wie Stars fühlen. Udo Lattek lasse die Anrufe interessierter Bundesligavereine abfangen, klärte Hoeneß die Leser seiner Heimatzeitung auf, zudem sei ein striktes
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