Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
schienen für ihn nicht länger zu existieren, als er seine Aufmerksamkeit wieder Perrin zuwandte. »Einige von denen, die dem Lord Drachen folgen, haben eine Stadt namens So Habor gefunden.« So nannte er seine Anhänger: natürlich folgten sie in Wirklichkeit dem Wiedergeborenen Drachen und nicht etwa ihm. Die Tatsache, dass Masema ihnen sagte, was sie wann und wie zu tun hatten, war nur eine Nebensächlichkeit. »Ein hübscher Ort mit drei- oder viertausend Einwohnern, etwa einen Tag oder weniger im Südwesten. Anscheinend waren sie abseits vom Weg der Aiel, und trotz der Dürre haben sie letztes Jahr eine gute Ernte eingefahren. Sie haben Speicher voller Gerste, Hirse und Hafer, und noch anderer nützlicher Dinge, wie ich glaube. Ich weiß, dass Ihr nur noch wenig Vorräte habt. Sowohl für Eure Männer wie auch für die Tiere.«
»Warum sollten ihre Speicher zu dieser Jahreszeit voll sein?« Berelain beugte sich mit einem Stirnrunzeln nach vorn; ihr Tonfall war nicht weit von einem Befehl entfernt und klang fast ungläubig.
Nengar legte mit einem finsteren Blick die Hand auf das Sattelschwert. Keiner gab dem Propheten des Lord Drachen einen Befehl. Und erst recht stellte ihn keiner infrage. Keiner, der weiterleben wollte. Leder ächzte, als die Lanzenreiter in ihren Sätteln das Gewicht verlagerten, aber Nengar ignorierte sie. Der Gestank von Masemas Wahnsinn kroch in Perrins Nase. Masema musterte Berelain. Er schien sich weder Nengar noch den Lanzenreitern noch der Möglichkeit bewusst zu sein, dass die Männer jeden Augenblick damit anfangen konnten, einander zu töten.
»Eine Sache der Habgier«, sagte er schließlich. »Anscheinend glaubten die Kornhändler von So Habor, sie könnten größere Profite machen, wenn sie ihre Vorräte zurückhalten, bis der Winter die Preise in die Höhe treibt. Aber normalerweise verkaufen sie in den Westen, nach Ghealdan und Amadicia, und die Geschehnisse dort und in Ebou Dar haben in ihnen die Befürchtung geweckt, dass man ihre Lieferungen beschlagnahmen könnte. Ihre Habgier hat dazu geführt, dass sie volle Speicher und leere Geldbeutel haben.« Ein zufriedener Ton stahl sich in Masemas Stimme. Er verabscheute Habgier. Aber er verabscheute jede menschliche Schwäche, ob groß oder klein. »Ich glaube, dass sie sich jetzt sehr billig von ihrem Korn trennen werden.«
Perrin witterte eine Falle, und dazu brauchte er nicht die Spürnase eines Wolfs. Masema musste seine eigenen Männer und Tiere ernähren, und wie gründlich sie das Umland auch geplündert hatten, sie konnten kaum in besserer Verfassung sein als Perrins Leute. Warum hatte Masema nicht ein paar Tausend seiner Anhänger in die Stadt geschickt und sich genommen, was es dort zu holen gab? Einen Tag entfernt. Das würde ihn weiter von Faile wegbringen und den Shaido vielleicht Zeit verschaffen, um weiter an Boden zu gewinnen. Was war der Grund für dieses seltsame Angebot? Oder sollte es nur eine weitere Verzögerung sein, damit Masema im Westen bleiben konnte, in der Nähe seiner seanchanischen Freunde?
»Vielleicht werden wir Zeit genug haben, dieser Stadt einen Besuch abzustatten – nachdem meine Frau befreit ist.« Wieder nahmen Perrins Ohren vor allen anderen die kaum wahrnehmbaren Geräusche von Männern und Pferden wahr, die sich durch den Wald bewegten, diesmal von Westen her aus dem Lager. Gallennes Bote musste die ganze Strecke im Galopp zurückgelegt haben.
»Eure Frau«, sagte Masema tonlos und warf Berelain einen Blick zu, der Perrins Blut kochen ließ. Selbst Berelain wurde rot, obwohl ihr Gesicht völlig reglos blieb. »Glaubt Ihr wirklich, Ihr werdet heute etwas über sie erfahren?«
»Das tue ich.« Perrins Stimme war genauso tonlos wie Masemas, nur härter. Er umfasste den Sattelknauf, oberhalb der Henkel von Berelains Korb, um nicht nach seiner Axt zu greifen. »Ihre Befreiung kommt an erster Stelle. Ihre und die der anderen. Sobald das vollbracht ist, können wir unsere Bäuche bis zum Platzen füllen, aber das kommt zuerst.«
Die näher kommenden Pferde waren jetzt für alle hörbar. Im Westen erschien eine lange Reihe Lanzenreiter, die gefolgt von einer weiteren Reihe an den im Schatten liegenden Bäumen vorbeizog. Die roten Wimpel und Brustpanzer von Mayene wurden durchsetzt von den grünen Wimpeln und glänzenden Brustpanzern Ghealdans. Die Reihen erstreckten sich von der gegenüberliegenden Seite Perrins und dann entlang der Reiterhorde, die auf Masema wartete. Unberittene Männer
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