Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
Schwestern gemacht hatte, wäre nicht möglich gewesen, wenn eine von ihnen ein Kind erwartet hätte, da das Ungeborene an dem Bund beteiligt worden wäre – was es nicht überlebt hätte, da ihm dazu die nötige Kraft gefehlt hätte –, aber bestimmt hätte eine der Aes Sedai im Palast etwas gesagt, wenn man in der Schwangerschaft nicht die Macht benutzen sollte. Andererseits bekamen nur sehr wenige Aes Sedai jemals Kinder. Möglicherweise wussten sie nicht darüber Bescheid. Elayne war sich darüber im Klaren, dass es viele Dinge gab, von denen die Aes Sedai nichts wussten, sosehr sie dem Rest der Welt auch das Gegenteil vorspielten – sie hatte dies selbst schon ausgenutzt –, aber der Gedanke erschien seltsam, dass sie über etwas nicht Bescheid wissen sollten, das für die meisten Frauen von solcher Bedeutung war. Aber die Weisen Frauen brachten Kinder zur Welt, und sie hatten nichts dergleichen gesagt …
Plötzlich wurden die Sorgen um ihr Kind und die Benutzung der Macht und was Aes Sedai möglicherweise wussten oder auch nicht aus ihrem Bewusstsein verdrängt. Sie konnte fühlen, dass jemand Saidar lenkte. Nicht Aviendha, und auch keiner in den Bergen ringsum, niemand, der in der Nähe war. Das hier geschah in der Ferne, es war wie ein Leuchtfeuer, das in der Nacht auf einem weit entfernten Berg loderte. Einem sehr weit entfernten Berg. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie viel von der Einen Macht benötigt wurde, damit sie es auf diese Entfernung mitbekam. Jede Frau auf der Welt, die die Macht lenken konnte, musste das hier fühlen können. Darauf zeigen können. Und das Leuchtfeuer lag im Westen. An dem Bund mit Rand hatte sich nichts verändert, sie hätte nicht genau sagen können, wo er sich in einem Radius von hundert Meilen aufhielt, aber sie wusste es.
»Er ist in Gefahr«, sagte sie. »Wir müssen zu ihm, Aviendha.«
Aviendha schüttelte sich und hörte auf, nach Westen zu starren. Das Glühen um sie herum blieb bestehen, und Elayne konnte fühlen, dass sie so tief aus der Quelle geschöpft hatte, wie es ihr möglich war. Aber in dem Moment, in dem sich Aviendha ihr zuwandte, fühlte sie, wie das Saidar schwand, das ihre Schwester hielt. »Das müssen wir nicht, Elayne.«
Ungläubig drehte sich Elayne im Sattel um und starrte sie an. »Du willst ihn im Stich lassen? Dabei? « Niemand konnte so viel Saidar beherrschen, nicht der stärkste Zirkel, nicht ohne zusätzliche Hilfe. Angeblich gab es ein Sa’angreal , das größer als alle anderen und in der Lage war, mit einer solchen Machtfülle zurechtzukommen – falls es stimmte, was sie gehört hatte. Vielleicht. Aber soweit sie wusste, konnte keine Frau es benutzen und überleben, nicht ohne für diesen Zweck hergestellte Ter’angreale , und die hatte ihres Wissens nach nie jemand zu Gesicht bekommen. Bestimmt würde keine Schwester den Versuch wagen, selbst wenn sie eines davon gefunden hätte. Diese Anhäufung der Einen Macht konnte mit einem Schlag ganze Bergketten einebnen! Keine Schwester würde es versuchen, die Schwarzen Ajah vielleicht einmal ausgenommen. Oder noch schlimmer, einer der Verlorenen. Vielleicht auch mehr als nur einer. Aber was sonst konnte es sein? Und Aviendha wollte es einfach ignorieren , obwohl sie wissen musste, dass Rand dort war?
Die Gardistinnen, die nichts davon mitbekommen hatten, warteten noch immer geduldig auf ihren Pferden und beobachteten die Baumgrenze, obwohl sie sich nach dem Empfang im Herrenhaus keine großen Sorgen machten; allerdings betrachtete Caseille Elayne und Aviendha, und hinter dem Helmvisier war ein leichtes Stirnrunzeln erkennbar. Sie wusste, dass sie noch nie gezögert hatten, ein Wegetor zu öffnen. Die Männer versammelten sich um ihr Lasttier, kramten in den Bündeln herum und stritten sich anscheinend darüber, ob etwas vergessen worden war oder nicht. Aviendha lenkte ihre graue Stute näher an Elaynes Schwarzen heran und sprach in einem Tonfall, der nicht weit trug.
»Elayne, wir wissen nichts. Vielleicht tanzt er mit den Speeren, vielleicht handelt es sich um etwas ganz anderes. Wenn er den Tanz der Speere tanzt und wir platzen da rein – wird er uns angreifen, bevor er uns erkennt? Werden wir ihn ablenken, weil er uns nicht erwartet, und seinen Feinden dadurch den Sieg bringen? Sollte er sterben, werden wir diejenigen finden, die ihn getötet haben, und sie werden auch sterben, aber wenn wir jetzt zu ihm gehen, dann stürzen wir uns blindlings in etwas hinein, und
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