Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
Winterfell ziemlich haarig, aber sosehr sich ihre Reiter auch in ihre Umhänge einhüllten, blieb Elayne nicht verborgen, dass acht von ihnen sich kaum öfters als einmal in der Woche rasieren mussten, wenn überhaupt. Die Männer, die Meister Ros als erfahren bezeichnet hatte, hatten faltige Gesichter, knochige Hände und konnten alle zusammengenommen vermutlich nicht mal ein vollständiges Gebiss aufweisen. Er hatte nicht gelogen oder gar etwas beschönigt, Aedmun hatte alle fähigen Männer der Gegend genommen und sie mit dem Besten ausgerüstet, was er hatte. Es war überall die gleiche Geschichte gewesen. In ganz Andor bemühte sich eine große Anzahl kräftiger Männer, in Caemlyn zu ihr zu stoßen. Und vermutlich würde keiner von ihnen in der Stadt eintreffen, bevor alles bereits entschieden war. Sie konnte jeden Tag suchen, ohne auch nur eine Gruppe zu finden. Immerhin hielt diese kleine Abteilung ihre Hellebarden, als wüsste sie, wie man damit umgehen musste. Andererseits war das auch nicht allzu schwer, solange man ruhig im Sattel saß und den Hellebardenknauf im Steigbügel stecken hatte. Das hätte sie auch geschafft.
»Wir haben neunzehn Herrenhäuser besucht, Schwester«, sagte Aviendha leise und rückte näher heran, bis sich ihre Schultern berührten. »Diese hier mitgezählt, haben wir jetzt zweihundertfünfzig Burschen, die zu jung sind, um Blut zu vergießen, und alte Männer, die den Speer schon vor langer Zeit hätten niederlegen sollen. Ich habe dich das noch nie zuvor gefragt. Du kennst dein Volk und seine Sitten. Ist das die Zeit wert, die du dem opferst?«
»O ja, Schwester.« Elayne hielt ihre Stimme genauso leise, damit der einbeinige Veteran und die Diener sie nicht hören konnten. Die besten Leute konnten starrköpfig werden, wenn ihnen klar wurde, dass die Hilfe, die sie unter großen Mühen beschafft hatten und die man angenommen hatte, gar nicht das war, worauf es einem eigentlich ankam. »Mittlerweile weiß jeder im Dorf unten am Fluss, dass ich hier bin, und das gilt auch für die Hälfte aller Bauernhöfe im Umkreis von Meilen. Am Mittag wird es auch die andere Hälfte wissen, und morgen das nächste Dorf und noch mehr Höfe. Im Winter verbreiten sich Neuigkeiten nur langsam, vor allem in diesem Landstrich. Sie wissen, dass ich meinen Anspruch auf den Thron verkündet habe, doch sollte ich den Thron morgen gewinnen oder morgen sterben, erfahren sie es vermutlich nicht vor der Mitte des Frühlings, vielleicht auch erst im Sommer. Aber heute wissen sie, dass Elayne Trakand am Leben ist, dass sie das Herrenhaus in Seide und juwelengeschmückt besucht und Männer unter ihrem Banner versammelt hat. Zwanzig Meilen von hier entfernt werden Leute behaupten, dass sie mich gesehen und meine Hand berührt haben. Nur wenige Leute können sich damit brüsten, ohne sich vorteilhaft über denjenigen auszulassen, den sie zu sehen behauptet haben, und wenn man vorteilhaft über jemanden spricht, dann überzeugt man sich selbst davon, dass man gut über ihn denkt. An neunzehn Orten Andors reden Männer und Frauen darüber, wie sie vergangene Woche die Tochter-Erbin gesehen haben, und jeden Tag breiten sich diese Gespräche aus wie ein Tintenfleck. Hätte ich Zeit, würde ich jedes Dorf in Andor besuchen. Es würde nicht die geringsten Auswirkungen auf die Ereignisse in Caemlyn haben, aber es könnte einen riesigen Unterschied machen, wenn ich gewonnen habe.« Sie würde keine andere Möglichkeit als den Sieg in Betracht ziehen. Vor allem nicht, da klar war, wer den Thron besteigen würde, sollte sie scheitern. »Die meisten Königinnen in unserer Geschichte haben die ersten Jahre ihrer Herrschaft damit verbracht, das Volk hinter sich zu bringen, und einigen ist das nie gelungen, aber auf uns kommen härtere Zeiten zu. Möglicherweise bleibt mir nicht einmal ein Jahr, bevor ich jeden Andoraner hinter mir haben muss. Ich kann nicht warten, bis ich auf dem Thron sitze. Härtere Zeiten kommen auf uns zu, und ich muss bereit sein. Andor muss bereit sein, und dafür muss ich sorgen.«
Aviendha berührte mit einem Lächeln Elaynes Wange. »Ich glaube, ich werde von dir viel darüber lernen, wie man eine Weise Frau wird.«
Zu ihrem Entsetzen wurde Elayne vor Verlegenheit knallrot. Ihre Wangen fühlten sich an, als würden sie in Flammen stehen! Vielleicht waren die Gefühlsschwankungen doch schlimmer als das Bemuttertwerden. Beim Licht, sie konnte sich noch auf Monate freuen, in denen es ihr so ging.
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