Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
konnte manchmal sehr feinfühlig sein –, aber sie verschwendete keine Zeit und öffnete das Wegetor, ein rotierendes Abbild eines Stallhofs im Königlichen Palast, das sich zu einem Loch in der Luft verbreiterte und Schnee von der Wiese auf das frisch gefegte Pflaster fallen ließ, da fast dreihundert Meilen Entfernung keinen Unterschied machten. Schlagartig erwachte Birgittes Präsenz irgendwo im Palast in Elaynes Kopf zu neuem Leben. Birgitte hatte Kopfschmerzen und Magendrücken, in letzter Zeit keine ungewöhnlichen Vorkommnisse, aber sie passten hervorragend zu Elaynes Stimmung.
Ich muss es ihm überlassen, sich um sich selbst zu kümmern, dachte sie, als sie durch das Tor ritt. Beim Licht, wie oft dachte sie das? Es spielt keine Rolle. Rand war die Liebe ihres Lebens und die Freude ihres Herzens, aber Andor war ihre Pflicht.
KAPITEL 11
Gespräche über Schulden
D as Wegetor war so ausgerichtet, dass Elayne aus einem Loch in der Wand auf einen gepflasterten Platz zu reiten schien, der aus Sicherheitsgründen von sandgefüllten Weinfässern markiert wurde. Seltsamerweise konnte sie im Palast nicht eine Frau fühlen, die gerade die Macht lenkte, obwohl er mehr als hundertfünfzig Frauen mit dieser Fähigkeit beherbergte. Ein paar von ihnen würden natürlich auf der äußeren Stadtmauer stationiert sein, zu weit weg, um alles außer einem verbundenen Zirkel wahrzunehmen, aber im Palast benutzte eigentlich immer gerade jemand Saidar , sei es, um eine der gefangenen Sul’dam dazu zu zwingen zuzugeben, dass sie die Gewebe der Einen Macht wirklich sehen konnten, oder um die Falten aus einem Schultertuch zu bekommen, ohne ein Bügeleisen erwärmen zu müssen. Doch nicht an diesem Morgen. Die Arroganz der Windsucherinnen reichte oft an das schlimmste Verhalten einer jeden Aes Sedai heran, aber selbst das musste von dem unterdrückt worden sein, was sie alle wahrnahmen. Elayne war der festen Überzeugung, dass sie, wäre sie in die oberste Etage gestiegen, die Wellen dieses gewaltigen Fanals hätte sehen können, auch wenn sie Hunderte von Meilen entfernt waren. Sie kam sich wie eine Ameise vor, die sich zum ersten Mal der Berge bewusst geworden war, eine Ameise, die das Rückgrat der Welt mit dem Hügel verglich, der ihr immer Ehrfurcht eingeflößt hatte. Ja, angesichts dessen mussten selbst die Windsucherinnen die Köpfe einziehen.
Der Stallhof der Königin, der sich am Ostflügel des Palasts befand und im Norden und Süden von jeweils einem zweistöckigen Stall aus weißem Stein abgegrenzt wurde, war traditionellerweise den Pferden und Kutschen der Königin vorbehalten, und sie hatte gezögert, ihn zu benutzen, bevor man ihr den Löwenthron zugesprochen hatte. Die Schritte, die zum Thron führten, waren so kompliziert wie bei einem Hoftanz, und auch wenn dieser Tanz manchmal Ähnlichkeit mit einer Tavernenschlägerei hatte, musste man dennoch seine Schritte mit Präzision und Anmut ausführen, wollte man sein Ziel erreichen. Die Beanspruchung von Sonderrechten vor der Amtseinführung hatte einige Anwärterinnen die Herrschaft gekostet. Am Ende hatte sie entschieden, dass das keine Überschreitung war, die sie übermäßig stolz erscheinen lassen würde. Außerdem war der Stallhof der Königin eher klein und wurde für nichts anderes benutzt. Hier musste man weniger Leute als anderswo fernhalten, wenn man ein Wegetor öffnen wollte. Tatsächlich war der gepflasterte Hof abgesehen von einem mit einem roten Mantel bekleideten Stallburschen menschenleer, als sie ihn betrat; er stand vor einer der bogenförmigen Stalltore und drehte sich um, um hineinzurufen, und ein Dutzend weiterer Stallburschen strömte heraus, während sie Feuerherz von dem abgesperrten Rechteck ritt. Schließlich wäre es durchaus möglich gewesen, dass sie in Begleitung mächtiger Lords und Ladys zurückkam; vielleicht hofften sie es auch nur.
Caseille brachte die Gardistinnen durch das Tor und befahl den meisten abzusteigen und sich um ihre Tiere zu kümmern. Sie selbst und ein halbes Dutzend Frauen blieben im Sattel sitzen und hielten über den Köpfen der zu Fuß gehenden Menschen Wache. Nicht einmal hier ließen sie Elayne unbewacht. Vor allem hier, wo mehr Gefahren auf sie lauerten als in jedem der von ihr besuchten Herrenhäuser. Die Männer von Matherin gingen hierhin und dorthin und standen Stallburschen und Gardistinnen im Weg, während sie die weißen Steinbalkone und Säulengänge anstarrten, die auf den Hof hinausschauten, und
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