Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
Umhang getragen hatte.
»Die Verhandlungen verlaufen schlecht«, sagte sie mit ihrer hohen, melodischen Stimme. Trotzdem ließ sie es wie eine Proklamation klingen. »Varilin kaut missmutig auf ihrer Lippe herum. Auch Magla ist frustriert, was das angeht, sogar Saroiya ist es. Wenn Saroiya anfängt, mit den Zähnen zu knirschen, wären die meisten Schwestern bereits am Schreien.« Mit Ausnahme von Janya hatte sich jede Sitzende, die vor der Spaltung der Burg einen Sitz innegehabt hatte, in die Verhandlungen hineingemogelt. Schließlich sprachen sie mit Frauen, denen sie seinerzeit im Saal gegenübergesessen hatten. Beonin war fast zu einem Laufburschen degradiert worden.
Romanda führte den Tee an die Lippen, dann hielt sie die Tasse wortlos auf der Untertasse zur Seite. Theodrin schoss aus der Ecke herbei, um die Tasse zum Tablett zu tragen und Honig hinzuzufügen, bevor sie sie wieder der Sitzenden brachte und sich in ihre Ecke zurückzog. Romanda probierte den Tee erneut und nickte zustimmend. Theodrins Gesicht rötete sich.
»Die Gespräche werden verlaufen, wie sie verlaufen werden«, sagte Egwene unbestimmt. Romanda hatte sich gegen jede Art von Verhandlungen ausgesprochen, ob sie nun vorgetäuscht waren oder nicht. Und sie wusste, was in der Nacht geschehen würde. Den Saal darüber im Unklaren zu lassen war als unnötiger Schlag ins Gesicht erschienen.
Der straffe Haarknoten in Romandas Nacken wippte, als sie nickte. »Eines haben sie uns bereits deutlich gezeigt. Elaida wird den Sitzenden, die in ihrem Namen sprechen, nicht erlauben, auch nur einen Fingerbreit nachzugeben. Sie hat sich in die Burg gekrallt wie eine Ratte in eine Wand. Die einzige Möglichkeit, sie da herauszubekommen, besteht darin, ihr Frettchen hinterherzuschicken.« Myrelle gab einen Laut von sich, was ihr einen überraschten Blick von Maigan einbrachte. Romandas Augen blieben unbewegt auf Egwene gerichtet.
»Elaida wird auf die eine oder andere Weise entfernt«, sagte Egwene beherrscht und stellte die Teetasse auf der Untertasse ab. Ihre Hand zitterte nicht. Was hatte die Frau erfahren? Und wie?
Romanda verzog das Gesicht, als sie trank, als würde dem Tee doch Honig fehlen. Vielleicht auch aus Enttäuschung, weil Egwene nicht mehr gesagt hatte. Die Frau setzte sich auf ihrem Hocker zurecht wie eine Schwertkämpferin, die sich auf ihren nächsten Angriff vorbereitete und die Klinge hob. »Ihr habt Dinge über die Kusinen gesagt, Mutter. Dass es nicht nur ein paar Dutzend, sondern über tausend sind. Dass einige von ihnen fünfhundert oder sechshundert Jahre alt sind.« Diese Unmöglichkeit ließ sie den Kopf schütteln. »Wie könnten so viele der Burg entkommen sein?« Das war keine Frage, sondern eine Herausforderung.
»Wir haben erst kürzlich in Erfahrung gebracht, wie viele Wilde es beim Meervolk gibt«, erwiderte Egwene ruhig. »Und wir sind uns noch immer nicht sicher, wie viele es genau sind.« Romanda verzog jetzt angewidert das Gesicht. Es waren Gelbe gewesen, die bestätigt hatten, dass es allein in Illian Hunderte von Wilden aus dem Meervolk gab. Der erste Treffer ging an Egwene.
Aber ein Treffer reichte nicht, um Romanda zu erledigen. Oder sie auch nur schwer zu verletzen. »Wir werden sie jagen und gefangen nehmen müssen, sobald unsere Arbeit hier getan ist«, sagte sie grimmig. »Ein paar Dutzend in Ebou Dar und Tar Valon unbehelligt zu lassen, damit wir Ausreißerinnen besser aufspüren können, war eine Sache, aber wir können unmöglich tausend Wilden erlauben, sich zu … organisieren.« In das letzte Wort, die Vorstellung, dass sich Wilde organisierten, legte sie weit mehr Verachtung als in den Rest. Myrelle und Maigan beobachteten alles genau und spitzten die Ohren. Maigan beugte sich sogar gespannt vorwärts. Keine wusste mehr als die Geschichten, die Egwene verbreitet hatte und von denen jedermann annahm, dass sie von Siuans Augen-und-Ohren stammten.
»Nun, es sind weit mehr als tausend«, korrigierte Egwene sie, »und nicht eine davon ist eine Wilde. Sie alle sind Frauen, die von der Burg fortgeschickt wurden, abgesehen von ein paar Hundert Ausreißerinnen, die der Gefangenschaft entgangen sind.« Sie hob ihre Stimme nicht, aber sie brachte jedes Argument energisch vor und erwiderte Romandas Blick. »Wie dem auch sei, wie wollen wir sie Eurer Ansicht nach aufspüren? Es gibt sie in jedem Land, sie üben alle möglichen Berufe aus. Ebou Dar war der einzige Ort, in dem sie je bewusst zusammengekommen sind,
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