Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
Enthüllung für glaubwürdig zu halten.
Ob Anath nun wirklich eine der Verlorenen war oder nicht, sie hatte Tuon verkörpert und sich mit dem Wiedergeborenen Drachen getroffen. Und dann hatte sie versucht, ihn zu töten. Ordnung, dachte Tuon und hielt ihre Miene reglos. Ich repräsentiere die Ordnung.
Sie sandte Selucia, die trotz der zusätzlichen Verantwortung als Wahrheitssprecherin noch immer ihre Stimme war – und ihr Schatten – ein paar Handzeichen. Wenn sie mit jenen sprach, die so tief unter ihr standen, musste sie die Worte zuerst Selucia übermitteln, die sie dann laut aussprach.
»Dir wird befohlen, ihn hereinzuschicken«, sagte Selucia zu einem Da’covale neben dem Thron. Er verbeugte sich tief, berührte mit dem Kopf den Boden, dann eilte er ans andere Ende des großen Raumes und öffnete die Tür.
Beslan, König von Altara und Hoher Herr von Haus Mitsobar, war ein schlanker Jüngling mit schwarzen Augen und Haar. Er hatte die olivfarbene Hautfarbe der Altaraner, aber er hatte angefangen, die vom Blut bevorzugte Kleidung zu tragen. Locker fallende gelbe Hosen und einen Mantel mit hohem Kragen, der vorn nur bis zur Mitte der Brust reichte, darunter ein gelbes Hemd. Das Blut hatte einen deutlichen Durchgang in der Mitte des Raumes gelassen, und Beslan ging mit nach unten gerichtetem Blick hindurch. Als er den Platz für das Bittgesuch vor dem Thron erreichte, ging er auf die Knie und verbeugte sich tief. Das perfekte Bild eines loyalen Untertans. Abgesehen von der dünnen Goldkrone auf seinem Haupt.
Tuon gestikulierte Selucia.
»Ihr werdet gebeten aufzustehen«, sagte Selucia.
Beslan erhob sich, hielt den Blick aber weiter abgewandt. Er war ein guter Schauspieler.
»Die Tochter der Neun Monde bringt ihr Beileid für Euren Verlust zum Ausdruck«, fuhr Selucia fort.
»Ich wünsche Ihr das Gleiche wegen Ihres Verlusts. Meine Trauer ist nur eine Kerze verglichen mit dem großen Feuer, das das seanchanische Volk verspürt.«
Er war zu unterwürfig. Er war König; keiner verlangte von ihm, sich so tief zu verbeugen. Er war vielen vom Blut gleichgestellt.
Beinahe hätte Tuon glauben können, dass er sich einfach nur demütig gegenüber der Frau verhielt, die bald Kaiserin sein würde. Aber sie wusste zu gut über sein Temperament Bescheid, sowohl durch ihre Spione wie auch vom Hörensagen.
»Die Tochter der Neun Monde wünscht den Grund zu erfahren, warum Ihr nicht länger Hof haltet«, sagte Selucia und beobachtete Tuons Hände. »Sie findet es bedauerlich, dass Euer Volk keine Audienz bei seinem König erhalten kann. Der Tod Eurer Mutter war so tragisch wie schockierend, aber Euer Königreich braucht Euch.«
Beslan verneigte sich. »Bitte lasst sie wissen, dass ich es für unangebracht hielt, mich über sie zu erheben. Ich bin mir im Zweifel, wie ich mich verhalten soll. Ich wollte niemanden beleidigen.«
»Seid Ihr sicher, dass das der wahre Grund ist?«, fuhr Selucia in ihrer Funktion als Tuons Stimme fort. »Und nicht, weil Ihr vielleicht eine Rebellion gegen uns plant und keine Zeit für Eure anderen Pflichten habt?«
Beslan schaute ruckartig mit weit aufgerissenen Augen auf. »Euer Majestät, ich …«
»Ihr braucht keine weiteren Lügen zu erzählen, Kind von Tylin«, wandte sich Tuon direkt an ihn, was dem versammelten Blut überraschtes Keuchen entlockte. »Ich weiß von den Dingen, die Ihr General Habiger und Eurem Freund Lord Malalin gesagt habt. Ich weiß von Euren unauffälligen Treffen im Keller der Schenke Die drei Sterne . Ich weiß alles, König Beslan.«
Stille legte sich schwer auf den Raum. Beslan neigte kurz den Kopf. Dann stand er überraschend auf und starrte ihr direkt in die Augen. Sie hätte nicht gedacht, dass dieser Jüngling mit der leisen Stimme das in sich hätte. »Ich lasse nicht zu, dass mein Volk …«
»Ich an Eurer Stelle würde schweigen«, unterbrach Tuon ihn. »Ihr steht schon auf Sand.«
Beslan zögerte. Sie konnte die Frage in seinen Augen lesen. Würde sie ihn hinrichten lassen? Hätte ich die Absicht, dich zu töten, dachte sie, dann wärst du schon tot, und du hättest das Messer nie kommen gesehen.
»Seanchan ist in Aufruhr«, sagte sie und beobachtete ihn. Die Worte schienen ihn zu erschüttern. »Ach, glaubtet Ihr, ich würde das ignorieren, Beslan? Ich schaue mir doch nicht in aller Ruhe die Sterne an, während mein Reich um mich herum zusammenbricht. Die Wahrheit muss zur Kenntnis genommen werden. Meine Mutter ist tot. Es gibt keine
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