Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
Wasser stand. Männer am anderen Ende gossen Wasser in die Tröge, und die Frauen wuschen Kleidung in dem seifigen Wasser, dann spülten sie sie in dem sauberen aus. Kein Wunder, dass der Boden so nass war. Wenigstens roch es hier nach Seife und Sauberkeit.
Die Frauen hatten die Ärmel bis zu den Oberarmen aufgerollt, und die meisten von ihnen plauderten bei der Arbeit, die daraus bestand, Kleidung auf den Waschbrettern in den Trögen zu scheuern. Sie trugen alle die gleichen braunen Röcke, die Gawyn bei der Aes Sedai gesehen hatte. Er legte die Hand träge auf den Schwertgriff und musterte die Frauen von hinten.
»Welche ist es?«, fragte Bryne.
»Einen Moment«, erwiderte er. Da waren Dutzende von Frauen. Hatte er wirklich gesehen, was er zu sehen geglaubt hatte? Warum sollte sich eine Aes Sedai ausgerechnet an diesem Ort hier aufhalten? Sicherlich würde Elaida keine Aes Sedai als Spionin losschicken; ihre Gesichter waren viel zu auffällig.
Andererseits, wenn sie so leicht zu erkennen waren, warum konnte er sie dann nicht finden?
Und dann sah er sie. Sie war die einzige der Frauen, die sich nicht unterhielt. Sie kniete mit gesenktem Kopf da, das Haar unter dem gelben Tuch verborgen, das auch ihr Gesicht in Schatten tauchte. Ein paar Locken ragten unter dem Stoff hervor. Ihre Haltung war so unterwürfig, dass er sie beinah übersehen hätte, aber die Formen ihres Körpers unterschieden sich von den anderen. Sie war sehr mollig, und das Kopftuch war das einzige gelbe in Sicht.
Gawyn schritt die Reihe der arbeitenden Frauen entlang, von denen einige aufstanden und mit in die Hüften gestemmten Händen in nicht zu missverstehenden Worten erklärten, dass »Soldaten mit ihren großen Füßen und unbeholfenen Ellbogen« bei Frauenarbeit nichts zu suchen hatten. Er ignorierte sie und ging weiter, bis er neben dem gelben Kopftuch stand.
Das ist doch verrückt, dachte er. In der ganzen Geschichte der Aes Sedai hat es noch nie eine gegeben, die freiwillig diese Haltung eingenommen hätte.
Bryne trat neben ihn. Er beugte sich vor und versuchte einen besseren Blick auf das Gesicht der Frau zu erhaschen. Sie kauerte sich nur noch mehr zusammen und rubbelte hektisch noch schneller an dem Hemd vor ihr in dem Trog herum.
»Frau«, sagte Gawyn. »Darf ich Euer Gesicht sehen?«
Sie reagierte nicht. Gawyn sah Bryne an. Zögernd streckte der General die Hand aus und schob das Kopftuch der dicklichen Frau zurück. Das zum Vorschein tretende Gesicht war deutlich erkennbar das einer Aes Sedai, es hatte diese unverwechselbare alterslose Qualität. Sie schaute nicht auf. Sie arbeitete weiter.
»Ich habe doch gesagt, dass es nicht funktionieren wird«, sagte eine stämmige Frau in der Nähe. Sie stand auf und watschelte die Reihe entlang. Sie trug ein zeltähnliches Kleid in Grün und Braun. »›Meine Lady‹, habe ich gesagt, ›Ihr könnt tun, was Ihr wollt, ich werde so einer wie Euch nichts abschlagen, aber irgendjemand wird Euch bemerken.‹«
»Ihr habt das Kommando über die Waschfrauen?«, fragte Bryne.
Die große Frau nickte energisch, ihre roten Locken schaukelten. »Das habe ich in der Tat, General.« Sie wandte sich der Aes Sedai zu und machte einen Knicks. »Lady Tagren, ich habe Euch gewarnt. Soll das Licht mich verbrennen, aber das habe ich. Es tut mir aufrichtig leid.«
Die Frau namens Tagren senkte den Kopf. Waren das Tränen auf ihren Wangen? War so etwas überhaupt möglich? Was ging hier vor?
»Meine Lady«, sagte Bryne und ging neben ihr in die Hocke. »Seid Ihr eine Aes Sedai? Wenn Ihr es seid und mir zu gehen befehlt, dann tue ich das, ohne eine Frage zu stellen.«
Eine gute Weise, das anzugehen. Wenn sie wirklich eine Aes Sedai war, konnte sie nicht lügen.
»Ich bin keine Aes Sedai«, flüsterte die Frau.
Bryne sah Gawyn stirnrunzelnd an. Was hatte das zu bedeuten, wenn sie das sagte? Eine Aes Sedai konnte nicht lügen. Also …
Leise fuhr die Frau fort: »Mein Name ist Shemerin. Einst war ich eine Aes Sedai. Aber jetzt nicht mehr. Nicht seit …« Sie schaute wieder zu Boden. »Bitte. Lasst mich in meiner Schande weiterarbeiten.«
»Das werde ich«, sagte Bryne. Dann zögerte er. »Aber zuerst muss ich dafür sorgen, dass Ihr mit ein paar Schwestern aus dem Lager sprecht. Wenn ich Euch nicht zu ihnen bringe, um mit ihnen zu sprechen, schneiden sie mir die Ohren ab.«
Die Frau, Shemerin, seufzte, stand dann aber auf.
»Kommt mit«, sagte Bryne zu Gawyn. »Ich habe nicht den geringsten
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