Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
Frauen spüren, die die Macht lenken konnten, so wie das jede Schwester konnte. Verdammte Asche!, dachte sie nervös und kniff die Augen zusammen. Nicht schon wieder!
Der Zelteingang bewegte sich. Sheriam öffnete die Augen. Eine pechschwarze Gestalt stand über ihre Pritsche gebeugt; das wenige Mondlicht, das durch die flatternden Zeltplanen drang, reichte gerade aus, um die Umrisse der Gestalt zu beleuchten. Sie war in unnatürliche Dunkelheit gekleidet, schwarze Stoffstreifen flatterten hinter ihr, eine tiefe Finsternis verbarg das Gesicht. Sheriam keuchte auf und sprang von der Pritsche, nahm auf dem Zeltboden eine ehrerbietige Stellung ein. Es war kaum genug Platz, um sich hinzuknien. Sie zuckte zusammen und erwartete, dass der Schmerz wieder über sie kam.
»Ah …«, sagte eine schnarrende Stimme. »Sehr gut. Du bist gehorsam. Ich bin erfreut.«
Es war nicht Halima. Halima, die anscheinend die ganze Zeit Saidin gelenkt hatte, hatte sie nie spüren können. Davon abgesehen war Halima nie … auf so dramatische Weise aufgetreten.
Eine solche Stärke! Wahrscheinlich handelte es sich hier um eine der Auserwählten. Entweder das oder ein sehr mächtiger Diener des Großen Herrn, der hoch über ihr stand. Das sorgte sie bis ins Mark, und sie zitterte, als sie sich verneigte. »Ich lebe, um zu dienen, Große Herrin«, sagte sie schnell. »Ich, die ich gesegnet bin, mich vor Euch verneigen zu dürfen, in diesen Zeiten zu leben, in …«
»Schluss mit dem Geplapper«, knurrte die Stimme. »Soweit ich weiß, hast du eine ordentliche Stellung in diesem Lager?«
»Ja, Große Herrin«, sagte Sheriam. »Ich bin die Bewahrerin der Chroniken.«
Die Gestalt schnaubte. »Bewahrerin eines zerlumpten Haufens Möchtegern-Rebellen. Aber das spielt keine Rolle. Ich brauche dich.«
»Ich lebe, um zu dienen, Große Herrin«, wiederholte Sheriam, und ihre Sorge wuchs. Was wollte diese Kreatur von ihr?
»Egwene al’Vere. Sie muss abgesetzt werden.«
»Was?«, fragte Sheriam überrascht. Ein Schlag Luft peitschte über ihren Rücken, und es brannte. Närrin! Wollte sie sich umbringen lassen? »Ich bitte um Vergebung, Große Herrin«, stieß sie hervor. »Verzeiht meinen Ausbruch. Aber eine der Auserwählten gab mir überhaupt erst den Befehl, dabei zu helfen, sie zur Amyrlin zu machen!«
»Ja, aber sie hat sich als … schlechte Wahl erwiesen. Wir brauchten ein Kind und keine Frau, die nur das Gesicht eines Kindes hat. Sie muss entfernt werden. Du sorgst dafür, dass diese Gruppe alberner Rebellen aufhört, sie zu unterstützen. Und bereite diesen verfluchten Treffen in Tel’aran’rhiod ein Ende. Wieso können so viele von euch überhaupt dort hineinkommen?«
»Wir haben Ter’angreale «, sagte Sheriam zögernd. »Einige in der Form von bernsteingelben Tafeln sowie ein paar Eisenscheiben. Dann eine Handvoll Ringe.«
»Ah, Schlafweber«, sagte die Gestalt. »Ja, die könnten nützlich sein. Wie viele?«
Sheriam zögerte. Ihr Instinkt riet ihr zuerst, zu lügen oder auszuweichen – das erschien als eine Information, die sie der Gestalt vorenthalten konnte. Aber eine der Auserwählten anzulügen? Eine schlechte Entscheidung. »Wir hatten zwanzig«, sagte sie wahrheitsgemäß. »Aber eine hatte Leane bei sich, die Frau, die gefangen genommen wurde. Damit bleiben uns neunzehn.« Gerade genug für Egwenes Zusammenkünfte in der Welt der Träume – eine für jede Sitzende und eine für Sheriam selbst.
»Ja«, zischte die in Dunkelheit gehüllte Gestalt. »In der Tat nützlich. Stehle die Schlafweber, dann gib sie mir. Dieser Abschaum hat nichts dort verloren, wo die Auserwählten wandeln.«
»Ich …« Sie sollte die Ter’angreale stehlen? Wie sollte sie das denn nur schaffen? »Ich lebe, um zu dienen, Große Herrin.«
»Ja, das tust du. Erledige diese Dinge für mich, und du wirst fürstlich belohnt werden. Versage …« Die Gestalt dachte kurz nach. »Du hast drei Tage. Jeder Schlafweber, den du in dieser Zeit nicht herbeischaffen kannst, kostet dich einen Finger oder einen Zeh.« Und die Auserwählte öffnete mitten im Zelt ein Wegetor und verschwand. Auf der anderen Seite erhaschte Sheriam einen Blick auf die vertrauten, mit Fliesen ausgelegten Korridore der Weißen Burg.
Die Schlafweber stehlen! Alle neunzehn? In drei Tagen? Bei der großen Dunkelheit, dachte Sheriam. Ich hätte lügen sollen, wie viele wir davon haben! Warum habe ich nicht gelogen?
Sie blieb noch lange dort knien, holte tief Luft und sann
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