Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
mit dem Car’a’carn umgehen. Er hat sich seit letzter Nacht … verändert.«
»Ich verstehe.« Aviendha holte tief Luft.
»Geh«, sagte Amys, »und kehre zurück.« Sie betonte die letzten Worte. Einige Frauen überlebten Rhuidean nicht.
Aviendha erwiderte ihren Blick und nickte. In vielerlei Hinsicht war Amys ihr eine zweite Mutter gewesen. Sie wurde mit einem seltenen Lächeln belohnt. Dann wandte Amys ihr den Rücken zu, genau wie es die beiden anderen getan hatten.
Aviendha holte noch einmal tief Luft und warf noch einen Blick auf das zertrampelte Gras vor dem Herrenhaus, wo Rand mit strenger Miene mit den Quartiermeistern sprach, den Arm mit der fehlenden Hand auf dem Rücken haltend, während er mit der anderen Hand lebhaft gestikulierte. Sie lächelte ihn an, auch wenn er nicht in ihre Richtung schaute.
Ich kehre zu dir zurück, dachte sie.
Dann lief sie zum Reisegelände, sammelte das Bündel ein und webte ein Wegetor, das sie ein gutes Stück vor der Kaltfelsenfestung absetzen würde, neben einer Felsformation namens Töchterspeer, von wo aus sie zur Festung laufen konnte, um sich vorzubereiten. Das Tor öffnete sich in die vertraute trockene Luft der Wüste hinein.
Sie duckte sich in das Tor und jubelte endlich über das, was gerade geschehen war.
Sie hatte ihre Ehre zurückgewonnen.
»Ich kam durch ein kleines Wassertor, Aes Sedai«, sagte Shemerin und senkte vor den anderen Anwesenden im Zelt den Kopf. »Ehrlich gesagt war das nicht besonders schwer, nachdem ich die Burg verlassen hatte und in der Stadt war. Ich wagte es nicht, über eine der Brücken zu gehen. Ich durfte die Amyrlin nicht wissen lassen, was ich da tat.«
Romanda sah mit verschränkten Armen zu. Ihr Zelt wurde von zwei großen Messinglampen erhellt, aus deren Spitzen Flammen tanzten. Sechs Frauen lauschten der Geschichte der Ausreißerin. Lelaine war da, obwohl sich Romanda doch so bemüht hatte, dass sie nichts von dieser Zusammenkunft erfuhr. Romanda hatte gehofft, dass die schlanke Blaue zu sehr damit beschäftigt sein würde, sich in ihrem Status zu sonnen, um sich für ein scheinbar so triviales Ereignis zu interessieren.
Neben ihr stand Siuan. Die ehemalige Amyrlin hatte sich mit der Verbissenheit eines Flusskrebses an sie geklammert. Romanda war durchaus über die neu gefundene Fähigkeit erfreut, das Dämpfen wieder Heilen zu können – immerhin war sie eine Gelbe –, aber ein Teil von ihr wünschte sich, Siuan hätte nicht davon profitiert. Als wäre Lelaine nicht allein schon schlimm genug gewesen. Romanda hatte Siuans durchtriebene Natur keinesfalls vergessen, obwohl viele andere im Lager da anscheinend wesentlich nachsichtiger waren. Eine reduzierte Stärke in der Macht bedeutete nicht, dass man plötzlich keine vernünftigen Intrigen mehr schmieden konnte.
Natürlich war Sheriam auch da. Die rothaarige Bewahrerin der Chroniken saß neben Lelaine. In letzter Zeit war Sheriam sehr still gewesen und hatte kaum die Würde einer Aes Sedai zur Schau gestellt. Dumme Frau. Sie musste aus ihrer Stellung entfernt werden; das konnte jeder sehen. Sollte Egwene jemals zurückkehren – und Romanda betete darum, dass sie es tat, und sei es auch nur, weil es Lelaines Pläne vereiteln würde –, dann würde dazu Gelegenheit sein. Eine neue Bewahrerin.
Die letzte Person im Zelt war Magla. Romanda und Lelaine hatten – gesittet – darüber diskutiert, wer Shemerin zuerst verhören sollte. Sie waren zu dem Schluss gekommen, dass das nur auf eine faire Weise geschehen konnte, und zwar, wenn sie es gemeinsam taten. Weil Shemerin eine Gelbe war, hatte Romanda die Zusammenkunft in ihrem eigenen Zelt veranstalten können. Es war eine böse Überraschung gewesen, als Lelaine nicht nur mit Siuan, sondern auch noch mit Sheriam im Schlepptau aufgetaucht war. Aber keiner hatte festgelegt, wie viele Begleiter mitgebracht werden konnten. Und so blieb Romanda nur Magla. Die Frau mit den breiten Schultern saß neben ihr und lauschte still dem Geständnis. Sollte sie noch jemanden holen lassen? Aber die Zusammenkunft auf diese Weise zu verzögern wäre zu offensichtlich gewesen.
Doch eigentlich war es auch gar kein Verhör. Shemerin sprach freiheraus, widersetzte sich keinen Fragen. Sie saß vor ihnen auf einem Hocker. Ein Kissen hatte sie abgelehnt. Nur selten hatte Romanda eine Frau gesehen, die so entschlossen war, sich selbst zu bestrafen, wie dieses arme Kind.
Sie ist kein Kind, dachte sie dann. Sie ist eine vollwertige Aes
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