Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
der Amyrlin um ihren Hals erschien, aber sie war viel zu schwer, als hätte man Blei in den Stoff gewebt.
Sie würde die Aes Sedai der Weißen Burg auf ihre Seite bringen. Elaida würde stürzen. Aber wenn nicht … dann würde Egwene tun, was nötig war, um die Welt und ihre Menschen im Angesicht von Tarmon Gai’don zu beschützen.
Sie wandte sich vom Lager ab, und Zelte, Furchen und leere Straßen verschwanden. Wieder war sie sich nicht sicher, wo sie ihr Verstand hinführte. Auf diese Weise in der Welt der Träume auf die Reise zu gehen – sich von Bedürfnissen führen zu lassen – konnte gefährlich sein, aber auch sehr erhellend. In diesem Fall suchte sie nicht nach einem Gegenstand, sondern nach Wissen. Was musste sie wissen, was musste sie sehen?
Ihre Umgebung wurde undeutlich und gewann sofort wieder an Konturen. Nun stand sie in der Mitte eines kleinen Lagers; in einer Feuergrube glühten Holzscheite, eine winzige Rauchwolke schlängelte sich gen Himmel. Das war seltsam. Feuer war für gewöhnlich zu flüchtig, um in Tel’aran’rhiod widergespiegelt zu werden. Trotz des Rauchs und des roten Glühens, das die plangeschliffenen Flusskiesel um die Grube erwärmte, fehlten die richtigen Flammen. Sie schaute in den zu dunklen stürmischen Himmel. Dieser stumme Sturm war eine weitere Unregelmäßigkeit für die Welt der Träume, auch wenn er in der letzten Zeit so alltäglich geworden war, dass sie ihn kaum noch wahrnahm. Konnte man an diesem Ort überhaupt etwas für normal halten?
Überrascht sah Egwene bunte Wagen um sich herum aufgereiht, grün, rot, orange und gelb. Waren sie eben schon dort gewesen? Sie stand auf einer großen Lichtung in einem Wald aus weißen Phantomespen. Das Unterholz war dicht, dürres Wildgras stach an unregelmäßigen Stellen fingergleich in die Höhe. Zu ihrer Rechten schlängelte sich eine überwucherte Straße zwischen den Bäumen hindurch; die bunten Wagen bildeten einen Kreis um das Feuer. Die Seiten der kastenförmigen Gefährte, die Dächer und Wände wie kleine Gebäude hatten, waren mit grellen Farben gestrichen. Ochsen spiegelten sich nicht in der Welt der Träume, dafür erschienen Teller, Becher und Löffel, nur um gleich darauf wieder neben der Feuergrube oder auf den Kutschböcken zu verschwinden.
Es war ein Lager der Kesselflicker, der Tuatha’an. Warum dieser Ort? Egwene ging langsam um die Feuergrube herum und betrachtete die Wagen, deren Lackierung keinerlei Risse oder Abnutzung aufwies. Diese Karawane war bedeutend kleiner als die, die sie und Perrin vor so langer Zeit besucht hatten, aber sie machte fast den gleichen Eindruck. Fast glaubte Egwene die Flöten und Trommeln hören zu können, konnte sich beinahe vorstellen, dass das Flackern der Feuergrube die Schatten tanzender Männer und Frauen darstellte. Ob die Tuatha’an wohl noch immer tanzten, wo der Himmel so dunkel und der Wind voller schlimmer Neuigkeiten war? Welchen Platz gab es noch für sie in einer Welt, die sich auf den Krieg vorbereitete? Trollocs war der Weg des Blattes egal. Wollte sich diese Gruppe Tuatha’an vor der Letzten Schlacht verstecken?
Egwene setzte sich auf die unterste Treppenstufe eines Wagens, dessen Vorderseite der Feuergrube zugewandt war. Einen Augenblick lang ließ sie ihr Gewand sich in ein einfaches grünes Wollkleid aus den Zwei Flüssen verwandeln, das dem ähnelte, das sie während ihres Besuches bei den Kesselflickern getragen hatte. Sie starrte in die nicht existierenden Flammen und hing nachdenklich ihren Erinnerungen nach. Was war wohl aus Aram, Raen und Ila geworden? Aller Wahrscheinlichkeit nach befanden sie sich in einem Lager genau wie diesem hier in Sicherheit und warteten darauf, was Tarmon Gai’don mit der Welt anstellen würde. Egwene lächelte, als sie an jene Tage dachte, in denen sie mit Aram getanzt und geflirtet hatte, während Perrin stirnrunzelnd sein Missfallen darüber zum Ausdruck gebracht hatte. Das war eine einfachere Zeit gewesen; allerdings hatten die Kesselflicker es immer geschafft, die Zeit für sich einfacher zu machen.
Ja, diese Gruppe würde noch immer tanzen. Und zwar bis zu dem Tag, an dem das Muster verbrannte, ob sie nun ihr Lied gefunden hatten oder nicht, ob die Trollocs die Welt nun verwüsteten oder nicht oder der Wiedergeborene Drache sie zerstörte.
Hatte sie die Dinge aus den Augen verloren, die von allen am Kostbarsten waren? Warum kämpfte sie so energisch dafür, sich die Weiße Burg zu sichern? Um der Macht
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