Das Rad der Zeit 12. Das Original: Sturm der Finsternis (German Edition)
wirkt nichts«, sagte sie. »Sie verändert nie den Tonfall ihrer Stimme, ganz egal, was wir mit ihr machen. Jede Strafe, die mir einfällt, ruft nur weitere Drohungen hervor. Jede noch schrecklicher als die vorherige! Beim Licht!« Sie knirschte wieder mit den Zähnen, verschränkte erneut die Arme und schnaubte. Narishma spannte sich an, als wollte er zu ihr kommen, aber sie winkte ab. Merise behandelte ihre Behüter so streng, wie es sich gehörte, obwohl sie jeden anfauchte, der versuchte, sie auf ihren Platz zu verweisen.
»Wir können ihren Widerstand brechen«, sagte Cadsuane.
»Können wir das, Cadsuane?«
»Pah! Natürlich können wir das. Sie ist ein Mensch, genau wie jeder andere auch.«
»Das stimmt«, meinte Merise. »Auch wenn sie seit dreitausend Jahren lebt. Dreitausend , Cadsuane.«
»Den größten Teil dieser Zeit war sie eingesperrt«, sagte Cadsuane und schnaubte abfällig. »Jahrhunderte im Gefängnis des Dunklen Königs eingekerkert, vermutlich in Trance oder tiefem Schlaf. Zieht man diese Jahre ab, ist sie nicht älter als eine von uns. Vermutlich sogar wesentlich jünger als die eine oder andere, vermute ich.«
Es war eine subtile Erinnerung an ihr eigenes Alter, über das man bei Aes Sedai nur selten sprach. Die ganze Unterhaltung über das Alter war in der Tat ein Zeichen, wie sehr die Verlorene Merise doch Unbehagen einflößte. Aes Sedai waren darin geübt, gelassen zu erscheinen, aber es gab einen Grund dafür, dass Cadsuane die Erzeuger der Abschirmung außerhalb des Raumes platziert hatte. Sie gaben zu viel preis. Selbst die normalerweise unerschütterliche Merise verlor bei diesen Verhören viel zu oft die Beherrschung.
Natürlich kamen Merise und die anderen im Grunde nicht an das heran, was eine Aes Sedai wirklich darstellen sollte – so wie zurzeit alle Frauen in der Burg. Man hatte zugelassen, dass die jüngeren Aes Sedai allesamt sanft und verweichlicht und anfällig für Zank geworden waren. Ein paar von ihnen hatten sich sogar so sehr unter Druck setzen lassen, dass sie Rand al’Thor die Treue geschworen hatten. Manchmal wünschte sich Cadsuane, sie könnte sie alle ein paar Jahrzehnte lang zur Buße schicken.
Aber vielleicht sprach da auch nur ihr Alter. Sie war alt, und das machte sie zusehends unduldsam gegenüber jeglicher Dummheit. Vor über zwei Jahrhunderten hatte sie sich geschworen, lange genug zu leben, um an der Letzten Schlacht teilzunehmen, ganz egal, wie lange das dauern sollte. Die Benutzung der Einen Macht verlängerte die einem gegebenen Jahre, und sie hatte die nötige Entschlossenheit und Charakterstärke gefunden, um diese Jahre noch weiter zu strecken. Sie war eine der ältesten Personen auf der Welt.
Unglücklicherweise hatten sie die Jahre gelehrt, dass, ganz egal, wie sehr man auch vorausplante oder entschlossen war, man das Leben letztlich nicht in die gewünschten Bahnen lenken konnte. Das hielt sie allerdings nicht davon ab, sich darüber aufzuregen, wenn es geschah. Man hätte annehmen sollen, dass die Jahre sie auch Geduld gelehrt hatten, aber das genaue Gegenteil traf zu. Je älter sie wurde, umso weniger war sie bereit zu warten, denn sie wusste, dass ihr nicht mehr viele Jahre blieben.
Jeder, der behauptete, das Alter hätte ihn geduldiger gemacht, war entweder ein Lügner oder senil.
»Ihr Widerstand kann und wird gebrochen werden«, wiederholte sie. »Ich lasse nicht zu, dass eine Person, die Gewebe aus dem Zeitalter der Legenden kennt, so unbeschwert zur Hinrichtung tanzt. Wir werden jeden Funken Wissen aus dem Kopf dieser Frau kratzen, selbst wenn wir ein paar ihrer ›kreativen‹ Gewebe bei ihr selbst anwenden müssen.«
»Der A’dam . Wenn uns der Lord Drache ihn doch nur bei ihr benutzen lassen würde …«, sagte Merise und schaute Semirhage an.
Falls Cadsuane je versucht gewesen war, ihr Wort zu brechen, dann hier. Dieser Frau den A’dam anzulegen … aber nein, um die Trägerin eines A’dams zum Reden zu zwingen, musste man ihr Schmerzen zufügen. Es war das Gleiche wie Folter, und al’Thor hatte es verboten.
Wegen Cadsuanes Lichtern hatte Semirhage die Augen geschlossen, aber sie war noch immer die Ruhe selbst. Was ging nur im Kopf dieser Frau vor? Wartete sie auf ihre Rettung? Glaubte sie, sie könnte ihre Hinrichtung erzwingen, um so einer echten Folterung zu entgehen? Glaubte sie wirklich, entfliehen und sich dann an den Aes Sedai rächen zu können, die sie verhört hatten?
Vermutlich traf das Letztere
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