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BLUTIGER FANG (German Edition)

BLUTIGER FANG (German Edition)

Titel: BLUTIGER FANG (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Pflock
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1
     
      „Ich könnte ihn umbringen!“
    Joel Kramers Stimme hallte von den schmucklosen Betonwänden wider, die das Innere des Raubtierhauses so schrecklich kalt und unpersönlich machten. Sein Blick galt drei ausgewachsenen Löwen, einem Pascha und zwei Weibchen, die hinter einer Panzerglasscheibe beieinander lagen und vor sich hindösten.
    „Hat er dich wieder geschlagen?“ Tony Walters, der an seiner Seite war und ebenfalls zu den Löwen hineingesehen hatte, sah ihn an.
    „Ja.“   
    „Wegen der Katzen?“   
    Joel rückte seine Brille ein wenig zurecht, ohne den Blick von den Löwen zu nehmen. „Weißt du, ich würde es ihm einmal gönnen, da hineinzugehen“, er wies zu den Löwen. „Dann könnte er sehen, wo er bleibt mit seinen Drohungen.“
    „Joel, es ist dein …“
    „Ich meine, der hat sie doch nicht alle, so kann das doch nicht weitergehen. Neulich hat er sogar seine Dienstwaffe auf mich gerichtet!“ Joel sah Tony für einen Moment an und wartete auf eine Reaktion.    
    Tony atmete ein und wollte etwas sagen, doch Joel sprach weiter, wobei er wieder die Löwen beobachtete. „Warum kann er mich nicht so annehmen, wie ich bin?“ Jetzt wandte Joel seinen Blick erneut von den Löwen ab und sah zu Tony auf, der ihn um mehr als einen Kopf überragte. Der schwarze Südafrikaner, der hier als Tierpfleger angestellt war, erwiderte diesen Blick.
    „Der kann doch nichts und niemanden akzeptieren“, sagte Tony. „Ich glaube, der akzeptiert nicht mal sich selbst, sonst würde er sich doch nicht so aufführen – vor allem dem eigenen Sohn gegenüber nicht.“   
    Joel sah erneut zu den Löwen hinein. Er besuchte die Tiere häufig, wenn er Ärger mit Vater gehabt hatte. Instinktiv fühlte er sich von den Löwen angezogen. Schon oft hatte er sich bei ihnen stummen Rat geholt und durch ihre Kraft und die erhabene Ausstrahlung Trost und Erbauung erfahren. Auch dieses seltsame Fernweh und so eine Art Reiselust, die sie fast immer in ihm auslösten, verwandelten ihn innerlich und halfen ihm, sich wieder aufzurichten.
    Tony versetzte ihm einen Klaps auf die Schulter.
    Joel kam aus seinen Gedanken zurück. „Es ist ja nicht nur mein Vater“, sagte er. „Da gibt es noch … und vor allem Bro– …“, Joel hielt inne und seufzte. „Ich gebe mir wirklich Mühe. Doch sie akzeptieren mich einfach nicht.“    
    Joel wandte sich um und lehnte sich seitlich an das Besuchergeländer. Er fixierte Tony. „Bin ich denn wirklich so ein Schlappschwanz?“   
    Tony blickte ihn nachdenklich an. Seine dunkelbraunen Augen strahlten ehrliches Bedauern aus. Seine Stimme klang samtweich. „Ich glaube, du musst lernen, dich selbst so zu akzeptieren, wie du bist. Solange du das nicht kannst, werden dich die anderen auch nicht annehmen.“   
    „Du meinst als feigen Schlappschwanz?“   
    „Es geht darum, wie du zu dir selber stehst.“   
    „Wie kann ich zu mir selber stehen, wenn ich für die anderen ein Niemand bin? Ich wäre ja anders, wenn sie mich als einen von ihnen aufnehmen würden.“          
    Tony schob seine Augenbrauen hoch. Das Weiße in seinen Augen blitzte auf. „Das ist genau dein Fehler, Joel. Sei, wie du bist. Dann wirst du auch angenommen, und wenn nicht, dann ist das nicht dein Problem.“   
    Joel blickte zu den Löwen. Warum konnten die Menschen nicht so sein wie sie, wie Tiere überhaupt? Tony hatte ja gut reden, so wie der aussah. Der hätte wohl auch eine Karriere als Berufsboxer haben können. Aber er selbst?
    Und wenn zu all dem nicht auch noch diese verdammte Angst hinzukommen würde, die ihn fast jedes Mal überkam, wenn er Vater oder einen von den Kerlen im Jugendclub sah. Joel vermied das Thema Angst, wenn er mit Tony über seine Probleme redete. Sie sprachen dann nur von körperlicher Schwäche und der fast krankhaften Unterentwicklung seiner Muskulatur. Ihr gab er die Schuld, nicht diesen Drive haben zu können, der die anderen Jungs ihrer Clique auszeichnete, zu der Tony jedoch nicht gehörte.
    Doch in der Angst lag letztlich der Haken, das wusste er. Sie würde er überwinden müssen und nur sie. Dann würde sich alles andere auch einrenken. Aber so, wie die Dinge zurzeit lagen?
    Von sich aus brachte er kaum die Kraft auf, daran zu arbeiten. Vielleicht musste er sich doch noch eingestehen, dass er im Grunde depressiv war.
    „Komm, lass uns an die frische Luft gehen.“ Tony lächelte ihn an. „Dann geht’s dir bestimmt gleich besser.“   
    Joel

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