Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
»Kampf« seit Jahren gewesen.
Am Himmel brach die Sonne durch die dünne Wolkenschicht und tauchte die Straße in Licht. Rand erreichte endlich den Stadtplatz, wo sich einst der Dorfanger von Emondsfelde befunden hatte. Was sollte man jetzt vom Steinbruchweg halten, wo er breit genug war, um einem marschierenden Heer Platz zu bieten? Er spazierte um den gewaltigen Brunnen in der Mitte des Platzes, ein von den Ogiern geschaffenes Denkmal für all jene, die in der Letzten Schlacht gefallen waren.
Unter den Statuen in der Brunnenmitte erkannte er vertraute Gesichter, und er wandte sich ab.
Noch ist das nicht endgültig, dachte er. Das ist noch nicht die Realität. Er hatte diese Wirklichkeit aus den Fäden dessen erschaffen, was möglich sein konnte, aus den Spiegelungen der jetzigen Welt. Das war noch nicht endgültig.
Zum ersten Mal, seit er diese von ihm selbst geschaffene Vision betreten hatte, geriet sein Selbstvertrauen ins Schwanken. Er wusste, dass die Letzte Schlacht nicht gescheitert war. Aber Menschen starben. Glaubte er, diesen ganzen Tod, diesen Schmerz aufhalten zu können?
Das sollte mein Kampf sein, dachte er. Sie sollten nicht sterben müssen. Reichte sein Opfer denn nicht?
Aber das hatte er sich bereits unzählige Male gefragt.
Die Vision zitterte, die kunstvoll zurechtbehauenen Steine unter ihm summten, Gebäude schwankten. Plötzlich erstarrten die Menschen, und der Lärm verstummte. Am anderen Ende einer schmalen Seitenstraße erschien eine zuerst stecknadelkopfgroße Finsternis, die sich rasch ausbreitete und alles in ihrer Nähe verschlang – es in sich hineinzog. Sie wuchs zur Größe eines der Häuser und bereitete sich dann langsam weiter aus.
DEIN TRAUM IST SCHWACH, WIDERSACHER.
Rand verstärkte seinen Willen, und das Beben hörte auf. An Ort und Stelle erstarrte Menschen gingen weiter, und das fröhliche Geplauder setzte sich fort. Eine sanfte Brise strich über den Bürgersteig und ließ die Fahnen, die das Fest verkündeten, an ihren Masten rascheln.
»Ich sorge dafür, dass dies Wirklichkeit wird«, sagte Rand zu der Finsternis. »Das ist dein Fehler. Glück, Wachstum, Liebe …«
DIESE MENSCHEN GEHÖREN JETZT MIR. ICH NEHME SIE MIR JETZT.
»Du bist Finsternis«, sagte Rand laut. »Finsternis kann das Licht nicht verdrängen. Finsternis existiert nur, wenn das Licht scheitert, wenn es flieht. Ich werde nicht scheitern. Ich werde nicht fliehen. Solange ich dir den Weg versperre, kannst du nicht siegen, Shai’tan.«
DAS WERDEN WIR JA SEHEN.
Rand wandte sich von der Finsternis ab und ging weiter um den Brunnen. Auf der anderen Seite des Platzes führte eine Reihe majestätischer weißer Stufen zu einem vier Stockwerke hohen Gebäude, das eine unglaubliche Handwerkskunst aufwies. Mit Reliefs übersät, bedeckt von einem funkelnden Kupferdach, wimmelte das Gebäude von Flaggen. Einhundert Jahre. Einhundert Jahre des Lebens, einhundert Jahre des Friedens.
Die Frau, die ganz oben auf den Stufen stand, wies irgendwie vertraute Züge auf. Da waren Spuren von saldaeanischer Herkunft, aber auch dunkle Locken, wie es sie nur in den Zwei Flüssen gab. Lady Adora, Perrins Enkelin und Bürgermeisterin von Emondsfelde. Rand schritt langsam die Stufen hinauf, während sie ihre Gedenkrede hielt. Niemand bemerkte ihn. Er sorgte dafür. Wie ein Grauer Mann schlüpfte er hinter sie, als sie den Feiertag verkündete, dann betrat er das Gebäude.
Es handelte sich keineswegs um ein Regierungsgebäude, obwohl die Vorderseite daran denken ließ. Es war viel wichtiger.
Eine Schule.
Rechts hingen genug Gemälde und Reliefs in luftigen Korridoren, um es mit jedem Palast aufnehmen zu können – aber hier waren die Lehrer und Geschichtenerzähler der Vergangenheit dargestellt, von Anla bis zu Thom Merrilin. Rand spazierte durch einen Korridor und warf einen Blick in Räume, wo jedermann Wissen erlangen konnte, vom ärmsten Bauern bis zu den Kindern des Bürgermeisters. Das Gebäude musste so groß sein, um allen Platz zu gewähren, die lernen wollten.
DEIN PARADIES HAT FEHLER, WIDERSACHER.
In einem Spiegel zu Rands Rechten war ein dunkler Fleck zu sehen. Er spiegelte nicht den Korridor wider, sondern SEINE Gegenwart.
DU GLAUBST, DU KANNST DAS LEID AUSMERZEN? SELBST WENN DU SIEGEN SOLLTEST, WIRD DIR DAS NICHT GELINGEN. IN DIESEN PERFEKTEN STRASSEN WERDEN NOCH IMMER MÄNNER IN DER NACHT ERMORDET. TROTZ DER BEMÜHUNGEN DEINER HANDLANGER WERDEN KINDER HUNGER LEIDEN. DIE REICHEN BEUTEN AUS UND
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