Das Rad der Zeit 14. Das Original: Das Vermächtnis des Lichts (German Edition)
ergriff ein Handtuch und warf es ihr zu. »Du würdest das meiste von dem, was wir während des Zeitalters der Legenden taten, als närrisch und verantwortungslos bezeichnen. Das war eine andere Zeit, Aviendha. Es gab viel mehr Machtlenker, und wir wurden von Kindheit an darin unterrichtet. Wir mussten nicht wissen, was Krieg ist oder wie man tötet. Wir hatten Schmerz, Hunger, Leid und Krieg ausgemerzt. Stattdessen benutzten wir die Eine Macht für Dinge, die vielleicht ganz gewöhnlich erscheinen.«
»Ihr hattet bloß angenommen, den Krieg ausgemerzt zu haben.« Aviendha schnaubte. »Ihr habt euch geirrt. Eure Dummheit hat euch schwach gemacht.«
»Das tat sie. Aber ich weiß nicht, ob ich die Dinge geändert hätte. Da gab es so viele gute Jahre. Gute Jahrzehnte, gute Jahrhunderte. Wir glaubten, in einem Paradies zu leben. Vielleicht war das ja unser Niedergang. Wir wollten, dass unser Leben perfekt ist, also ignorierten wir die Dinge, die nicht perfekt waren. Mangelnde Aufmerksamkeit vergrößerte Probleme, und vielleicht wäre der Krieg auch ohne die Bohrung unausweichlich gewesen.« Er trocknete sich mit der Macht ab.
»Rand.« Aviendha trat dicht an ihn heran. »Ich werde heute eine Gunst von dir erbitten.« Sie legte ihm die Hand auf den Arm. Ihre Haut war von ihren Tagen als Tochter voller Schwielen. Aviendha würde niemals eine zarte Dame wie die von den Höfen von Cairhien und Tear sein. Rand mochte das. Sie hatte Hände, die wussten, wie man arbeitete.
»Was für eine Gunst?«, fragte er. »Ich bin mir nicht sicher, dir heute überhaupt etwas abschlagen zu können.«
»Ich bin mir noch nicht sicher, was es sein wird.«
»Ich verstehe nicht.«
»Das musst du auch nicht«, sagte sie. »Und du brauchst mir auch nicht zu versprechen, dass du sie erfüllst. Ich fand, ich sollte dich vorher warnen, denn man greift seinen Geliebten nicht aus dem Hinterhalt an. Meine Gunst wird erfordern, dass du deine Pläne änderst, vielleicht sogar auf drastische Weise, und es wird wichtig sein.«
»Also gut …«
Sie nickte so geheimnisvoll wie immer und fing an, ihre Kleidung aufzusammeln, um sich für den Tag anzuziehen.
In ihrem Traum umrundete Egwene eine Glassäule. Sie erschien beinahe schon wie eine Säule aus Licht. Was hatte das zu bedeuten? Sie vermochte es nicht zu interpretieren.
Die Vision veränderte sich, und sie sah eine Kugel. Irgendwie war ihr klar, dass das die Welt war. Überall breiteten sich Sprünge aus. Mit fliegenden Fingern spannte sie Taue darum und strengte sich an, sie zusammenzuhalten. Es gelang ihr, ihre Zerstörung zu verhindern, aber es kostete so viel Kraft …
Sie verblich aus dem Traum und wachte ruckartig auf. Augenblicklich umarmte sie die Quelle und webte ein Licht. Wo war sie?
Sie trug ein Nachthemd und lag auf dem Bett in der Weißen Burg. Es handelte sich nicht um ihre eigenen Gemächer, die nach dem Angriff der Meuchelmörder noch immer nicht wieder bewohnbar waren. Ihr Arbeitszimmer verfügte über einen kleinen angrenzenden Schlafraum, und sie hatte sich dort hingelegt.
Ihr dröhnte der Schädel. Vage konnte sie sich daran erinnern, wie sie sich in der Nacht zuvor in ihrem Zelt auf dem Feld von Merrilor Berichte über den Untergang von Caemlyn angehört hatte, bis sie Mühe hatte, die Augen offen zu halten. Irgendwann zu später Stunde hatte Gawyn darauf bestanden, dass Nynaeve ein Wegetor zur Weißen Burg öffnete, damit sie in einem vernünftigen Bett und nicht auf einer Zeltpritsche schlafen konnte.
Murrend stand sie auf. Vermutlich hatte er recht gehabt, aber sie konnte sich deutlich daran erinnern, sich über seinen Tonfall geärgert zu haben. Niemand hatte ihn zurechtgewiesen, nicht einmal Nynaeve. Sie rieb sich die Schläfen. Die Kopfschmerzen waren bei Weitem nicht so schlimm wie damals, als sich Halima um sie »gekümmert« hatte, aber es reichte. Zweifellos gab ihr Körper seinem Unwillen darüber Ausdruck, wie wenig sie in den vergangenen Wochen geschlafen hatte.
Kurze Zeit später, nachdem sie sich angezogen und gewaschen hatte und sich etwas besser fühlte, verließ sie das Zimmer und fand Gawyn an Silvianas Schreibtisch sitzen. Er studierte einen Bericht und ignorierte eine Novizin, die neben der Tür stand.
»Wenn sie dich dabei erwischt, hängt sie dich an den Zehen aus dem Fenster«, meinte Egwene trocken.
Gawyn fuhr in die Höhe. »Das ist kein Bericht von ihrem Stapel«, protestierte er. »Das sind die neuesten Nachrichten von einer Schwester
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