Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
nicht.«
»Ishamael war doch schon mehr als zur Hälfte wahnsinnig«, knurrte Sammael, »und weniger als zur Hälfte noch Mensch.«
»Aber wir sind es?« Graendal zog eine Augenbraue hoch. »Einfach nur menschlich? Sicher sind wir doch etwas mehr. Das hier ist menschlich.« Sie streichelte mit einem Finger über die Wange der Frau, die neben ihr kniete. »Man wird einen neuen Ausdruck prägen müssen, um uns zu beschreiben.«
»Was wir auch sein mögen«, sagte Lanfear, »uns kann auf jeden Fall gelingen, woran Ishamael scheiterte.« Sie hatte sich leicht vorgebeugt, als wolle sie den Worten Nachdruck verleihen. Lanfear zeigte selten Anspannung. Warum dann jetzt?
»Warum nur wir vier?«, fragte Rahvin. Seine andere Frage würde noch warten müssen.
»Warum sollten wir mehr sein?«, gab Lanfear zur Antwort. »Wenn wir es schaffen, am Tag der Rückkehr dem Großen Herrn den Wiedergeborenen Drachen auf Knien zu präsentieren, warum sollten wir dann die Ehre – und die Belohnung – mit anderen teilen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist? Und vielleicht kann man ihn sogar dazu benützen, um – wie habt Ihr das ausgedrückt, Sammael? – um abgestorbene Äste abzusägen …«
Das war die Art von Antwort, die bei Rahvin ankam. Nicht, dass er ihr oder den anderen vertraut hätte, ganz gewiss nicht, aber für Ehrgeiz hatte er Verständnis. Die Auserwählten hatten gegeneinander intrigiert bis zu dem Tag, an dem Lews Therin sie mit dem Großen Herrn in dessen Kerker gesperrt hatte. Und dann hatten sie am Tag ihrer Befreiung wieder damit begonnen. Er musste eben nur sichergehen, dass Lanfears Plan nicht seine eigenen durcheinanderbrachte. »Sprecht weiter«, sagte er zu ihr.
»Zuerst einmal: Irgendjemand anders bemüht sich, ihn unter Kontrolle zu bringen. Möglicherweise, um ihn zu töten. Ich habe Moghedien oder Demandred im Verdacht. Moghedien hat immer versucht, aus dem Schatten heraus zu arbeiten, und Demandred hat Lews Therin schon immer gehasst.« Sammael lächelte oder zog vielmehr eine Grimasse. Sein Hass verblasste vor demjenigen Demandreds, obwohl er den gewichtigeren Grund hatte.
»Woher wisst Ihr, dass es keiner von uns hier ist?«, fragte Graendal schlagfertig.
Lanfears Lächeln entblößte genauso viele Zähne wie das der anderen Frau und verströmte genauso wenig Wärme. »Weil ihr drei euch erst einmal eure eigenen Pfründe erworben und eure Machtpositionen gesichert habt, während die anderen nur aufeinander losgegangen sind. Und aus anderen Gründen. Ich sagte euch ja, dass ich Rand al’Thor genau überwache.«
Was sie über die anderen gesagt hatte, stimmte durchaus. Rahvin selbst bevorzugte Diplomatie und geheime Manipulationen einem offenen Konflikt gegenüber, obwohl er ihn nicht scheute, wenn er notwendig war. Sammael dagegen hatte immer am liebsten Heere zur Eroberung eingesetzt. Er würde sich Lews Therin, nicht einmal dem als Schafhirten wiedergeborenen, auf keinen Fall nähern, bevor er sich seines Sieges nicht sicher war. Auch Graendal zog die Eroberung vor, aber ihre Methoden hatten nichts mit Soldaten zu tun. Obwohl sie sich ständig mit ihren menschlichen Spielzeugen beschäftigte, tat sie normalerweise einen sicheren Schritt nach dem anderen. Ganz offen, was die Auserwählten eben als offen betrachteten, aber sie wagte sich bei keinem Schritt zu weit vor.
»Ihr wisst ja, dass ich ihn unbemerkt im Auge behalten kann«, fuhr Lanfear fort, »aber ihr anderen müsst euch von ihm fernhalten, denn sonst riskiert ihr die Entdeckung. Wir müssen ihn zurückholen …«
Graendal beugte sich interessiert vor, und Sammael begann zu nicken, als sie weitersprach. Rahvin enthielt sich noch seiner Meinung. Es könnte so funktionieren. Falls nicht, sah er mehrere Möglichkeiten, durch ein paar kleine Änderungen Vorteile zu erlangen. Das Ganze könnte sich wirklich gut entwickeln.
KAPITEL 1
Das Feuer wird entfacht
D as Rad der Zeit dreht sich, und die Zeitalter kommen und gehen, hinterlassen Erinnerungen, die zu Legenden werden, verblassen zu bloßen Mythen und sind längst vergessen, wenn das Zeitalter wiederkehrt, das diese Legende einst gebar. In einem Zeitalter, von einigen das Dritte genannt, einem Zeitalter, das noch kommen wird und das schon lange vorbei ist, erhob sich ein Wind im großen Wald, den man den Braem-Forst nannte. Der Wind stand nicht am Anfang. Es gibt weder Anfang noch Ende, wenn sich das Rad der Zeit dreht. Aber es war ein Anfang.
Nach Südwesten wehte der Wind
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