Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
Egwene sie gebeten hatte, nichts zu sagen. Und was Birgitte betraf: Wie konnte man ein Geheimnis wahren, wenn die andere Bescheid wusste? Die Verlegenheit gewann die Oberhand, und Saidar rann ihr davon wie Sand zwischen den Fingern.
Nynaeve erwachte ruckartig. Das braungoldene Ter’angreal hielt sie fest in der Hand. Die Lampe auf ihren Metallringen warf ein stark gedämpftes Licht in die Kajüte. Elayne lag an sie gedrückt da und schlief noch immer. Der Ring war an seiner Kordel in die Mulde unter ihrem Adamsapfel gerutscht.
Vor sich hin murmelnd, kletterte Nynaeve über sie hinweg, um die Fibel zu verstauen, und goss anschließend ein wenig Wasser in die Waschschüssel, damit sie sich Gesicht und Hals waschen konnte. Das Wasser war wohl lauwarm, kam ihr aber trotzdem herrlich kühl vor. In der trüben Beleuchtung schielte sie zum Spiegel hoch und glaubte, noch immer Spuren der Röte auf ihren Wangen zu erkennen. Nichts war’s gewesen mit der Wiederherstellung des Gleichgewichts der Kräfte. Wenn sie sich doch nur irgendwo anders getroffen hätten. Wenn sie nur nicht gequatscht hätte wie ein hirnloser Backfisch. Es wäre besser verlaufen, hätte sie den Steinring benutzt, statt den anderen Frauen wie ein Schemen gegenüberzustehen. Das war alles nur Thoms und Juilins Schuld. Und Unos. Hätten sie nicht ihren Zorn hervorgerufen … Nein, Neres war schuld. Er … Sie nahm die Kanne in beide Hände und spülte sich den Mund aus. Natürlich nur, um den typischen Schlafgeschmack loszuwerden und nicht etwa einen Geschmack nach gekochtem Katzenfarn und zerstoßenem Mavinsblatt.
Als sie sich vom Waschtisch abwandte, setzte sich Elayne gerade auf und streifte die Kordel mit dem Steinring über den Kopf. »Ich sah, wie dir Saidar entglitt also ging ich schnell noch in Elaidas Arbeitszimmer, aber ich hielt es für besser, nicht lange zu verweilen, falls du dir Sorgen machtest. Ich habe auch nichts weiter in Erfahrung gebracht, außer, dass Shemerin festgenommen und zur Aufgenommenen degradiert werden soll.« Sie stand auf und legte den Ring in das Kästchen.
»Das können sie tun? Eine Aes Sedai degradieren?«
»Ich weiß nicht. Ich glaube, Elaida macht einfach, was sie will. Egwene sollte diese Aielkleidung nicht tragen. Das steht ihr überhaupt nicht.«
Nynaeve stieß die Luft aus, die sie angehalten hatte. Offensichtlich wollte Elayne alles meiden, was Egwene angesprochen hatte. Nynaeve beließ es nur zu gern dabei. »Nein, sie stehen ihr auf keinen Fall.« Sie kletterte auf das Bett und legte sich auf die Seite zur Wand hin.
»Ich hatte noch nicht einmal eine Möglichkeit, Rand eine Botschaft zukommen zu lassen.« Elayne stieg auch auf das Bett, und die Lampe ging augenblicklich aus. Die kleinen Fenster ließen nur dünne Strahlen des Mondscheins ein. »Und eine für Aviendha. Wenn sie schon für mich auf ihn achtgibt sollte sie sich wirklich ein wenig besser um ihn kümmern.«
»Er ist doch kein Pferd, Elayne. Du bist nicht seine Besitzerin.«
»Das habe ich auch nie behauptet. Wie wirst du dich fühlen, wenn Lan sich mit irgendeiner Frau aus Cairhien einlässt?«
»Sei nicht so dumm. Schlaf lieber.« Nynaeve vergrub ihr Gesicht energisch in das kleine Kopfkissen. Vielleicht hätte sie Lan eine Nachricht schicken sollen. All diese adligen Damen, ob aus Tear oder aus Cairhien. Sie schmierten einem Mann Honig ums Maul, statt ihm die Wahrheit zu sagen. Er sollte ja nicht vergessen, zu wem er gehörte!
Unterhalb von Boannda zogen sich zu beiden Seiten dichte Wälder bis ans Flussufer, ein unberührtes Gewirr von Bäumen, Ranken und Gestrüpp. Dörfer und Gehöfte verschwanden ganz. Der Eldar hätte genauso gut durch unberührte Wildnis tausend Meilen fern aller menschlichen Besiedelung fließen können. Fünf Tagesreisen von Samara entfernt ankerte die Wasserschlange am frühen Nachmittag mitten in einer Biegung des Flusses, während das einzige vorhandene Beiboot die letzten verbliebenen Passagiere auf rissigem, eingetrocknetem Lehm vor niedrigen, bewaldeten Hügeln absetzte. Selbst an den wenigen hohen Weiden und tief verwurzelten Eichen zeigten sich einige braun verbrannte Blätter.
»Es war ganz und gar nicht notwendig, dem Mann die Halskette zu geben«, sagte Nynaeve am Ufer, während sie zuschaute, wie sich das Ruderboot wieder näherte. Es war fast schon überfüllt mit vier Ruderern, Juilin und den letzten fünf Shienarern. Sie hoffte, nicht zu leichtgläubig gewesen zu sein. Neres hatte ihr seine
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