Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
spritzte mit fahrigen Bewegungen Wasser auf die Steine und ließ immer dichtere Dampfwolken aufsteigen. »Ich habe in den letzten Tagen eine Menge gelernt, da ich keine Zeit mit ihm verbringen musste. Seit Ihr gestattet habt, dass Egwene und Moiraine Sedai mir beim Gebrauch der Macht helfen, lerne ich immer schneller. Natürlich sind sie deshalb keine besseren Lehrerinnen als Ihr«, fügte sie dann hastig hinzu. »Aber ich möchte so gern lernen.«
»Ihr werdet gewiss weiterlernen«, sagte Melaine zu ihr. »Ihr müsst nicht jede Stunde mit ihm verbringen. Solange Ihr Euch Mühe gebt, wird Euer Unterricht kaum langsamer vonstatten gehen. Ihr lernt schließlich nicht, während Ihr schlaft.«
»Ich kann nicht«, murmelte Aviendha mit über den Kürbis gesenktem Kopf. Dann sagte sie noch entschlossener: »Ich werde das nicht tun.« Sie hob den Kopf, und in ihren Augen leuchtete blaugrünes Feuer. »Ich werde nicht dabeisein, wenn er wieder diesen Bettwärmer Isendre an sein Lager bestellt!«
Egwene sah sie mit offenem Mund an. »Isendre!« Sie hatte bemerkt – mit Abscheu übrigens –, wie die Töchter diese Frau gezwungen hatten, nackt herumzulaufen. Aber dies! »Ihr könnt doch nicht wirklich glauben, dass er …«
»Schweigt!« Bairs Stimme klang wie ein Peitschenhieb. Der Blick aus ihren blauen Augen hätte Steine in die Flucht geschlagen. »Beide! Ihr seid beide jung, aber selbst die Töchter sollten wissen, dass Männer Narren sein können, besonders, wenn sie keine Frau zur Seite haben, die sie führt.«
»Ich bin froh«, sagte Amys trocken, »zu bemerken, dass Ihr eure Gefühle nicht mehr in dem Maße unterdrückt wie vorher, Aviendha. Die Töchter sind genauso töricht wie Männer, was das betrifft. Ich erinnere mich noch gut daran, und es beschämt mich noch heute. Wenn man sich gehen lässt, trübt das die Urteilsfähigkeit einen Augenblick lang, doch wenn man seine Gefühle unterdrückt, trübt es die Urteilsfähigkeit immerzu. Geht nur sicher, dass Ihr Euch nicht zu oft gehen lasst oder gerade dann, wenn Ihr Euch unter Kontrolle haben solltet.«
Melaine beugte sich auf die Hände gestützt vor, bis beinahe der von ihrem Gesicht tropfende Schweiß in den heißen Kessel fiel. »Ihr kennt Eure Zukunft, Aviendha. Ihr werdet eine Weise Frau von großer Kraft und Autorität sein, und darüber hinaus noch mehr. Ihr besitzt die notwendige Kraft und tragt sie in Euch. Durch sie habt Ihr die erste Prüfung bestanden, und sie wird Euch auch helfen, dies zu bestehen.«
»Meine Ehre …«, sagte Aviendha heiser. Dann schluckte sie und war nicht in der Lage, fortzufahren. Sie hockte lediglich da und umschloss den Wasserbehälter, als enthielte er die Ehre, die sie behüten wollte.
»Das Muster enthält kein Ji’e’toh «, sagte Bair zu ihr. Es schwang etwas wie eine Andeutung von Sympathie in ihrer Stimme mit. »Nur das, was sein muss und sein wird. Männer und Töchter des Speers kämpfen noch gegen das Schicksal an, wenn längst klar ist, dass das Muster trotz all ihrer Bemühungen weiterwebt, doch Ihr seid keine Far Dareis Mai mehr. Ihr müsst lernen, dem Schicksalsfaden zu folgen. Nur, wenn Ihr Euch dem Muster ergebt, werdet Ihr in der Lage sein, zumindest ein wenig Kontrolle über den Verlauf Eures eigenen Lebens auszuüben. Wenn Ihr dagegen ankämpft, wird Euch das Muster doch bezwingen, und Ihr erlebt nur Elend, wo Ihr stattdessen Erfüllung hättet finden können.«
In Egwenes Ohren klang das ganz nach dem, was man sie in der Burg über die Eine Macht gelehrt hatte. Um Saidar zu beherrschen, musste man sich ihm zuerst ergeben. Wenn man dagegen ankämpfte, würde es unkontrolliert über einen herfallen oder einen überwältigen. Ergab man sich dagegen und lenkte Saidar ganz sanft, dann tat es, was man wünschte. Doch das erklärte nicht, warum sie Aviendha so etwas zumuteten. Deshalb fragte sie noch einmal und fügte gleich hinzu: »Es ist nicht schicklich.«
Statt zu antworten, sagte Amys: »Wird ihr Rand al’Thor die Erlaubnis verweigern? Wir können ihn nicht dazu zwingen.« Bair und Melaine blickten Egwene genauso eindringlich an wie Amys.
Sie würden ihr den Grund nicht nennen. Es war leichter, einen Stein zum Reden zu bringen, als aus einer Weisen Frau etwas gegen ihren Willen herauszuquetschen. Aviendha musterte mürrisch-resignierend ihre Zehen. Sie wusste: Die Weisen Frauen würden bekommen, was sie wollten, ganz gleich wie.
»Ich weiß es nicht«, sagte Egwene nachdenklich. »Ich kenne
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