Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
hatte seither weitere Stücke dieser Art von Stein irgendwo auf der Welt gefunden.
Jede Frau, die diesen Raum benützte, prägte ihm etwas von ihrer Persönlichkeit auf, und das war bei Elaida genauso. Ein schwerer, thronähnlicher Stuhl, dessen hohe Rückenlehne von einer in Elfenbein eingelegten Flamme von Tar Valon gekrönt wurde, stand hinter einem massiven Schreibtisch, in den man ganze Gruppen von Ringen, die immer an drei Punkten zusammenhingen, eingeschnitzt hatte. Die Tischfläche war leer bis auf drei kunstvoll lackierte Holzkästchen altaranischer Machart, die in genau gleichen Abständen daraufstanden. Eine schlichte weiße Vase stand auf einer ebenfalls weißen Säule mit ganz strenger Linienführung vor der einen Wand. Die Vase war mit Rosen gefüllt, deren Anzahl und Farbe sich bei jedem Blick veränderte, die aber immer gleich mathematisch genau angeordnet waren. Rosen um diese Jahreszeit und bei diesem Wetter! Es war eine reine Verschwendung der Einen Macht, wenn man damit Rosen künstlich zur Blüte trieb. Aber Elaida hatte das schon gemacht als sie noch die Ratgeberin von Elaynes Mutter gewesen war.
Über dem Kamin hing ein Gemälde in modernem Stil – auf gespannte Leinwand gemalt – von zwei Männern, die in den Wolken gegeneinander kämpften, indem sie Blitze schleuderten. Der eine Mann hatte ein Gesicht aus Feuer, und der andere war Rand. Elayne war in Falme gewesen, und fand, dass dieses Gemälde der Wahrheit recht gut entsprach. Wo sich Rands Gesicht befand, war undeutlich ein Riss in der Leinwand zu sehen, als habe jemand einen schweren Gegenstand darauf geworfen, und der Riss war dann wohl ganz ordentlich repariert worden. Offenbar brauchte Elaida etwas, was sie ständig an den Wiedergeborenen Drachen erinnerte, und genauso offensichtlich war sie nicht gerade glücklich darüber, das Bild andauernd ansehen zu müssen.
»Wenn Ihr mich bitte entschuldigt«, sagte Leane, noch bevor die anderen mit ihrem zufriedenen Nicken fertig waren, »ich muss nachsehen, ob meine Leute ihre Botschaften empfangen haben.« Jede Ajah außer der Weißen besaß ein eigenes Netz von Augen-und-Ohren, Spione, die sie über alle Nationen verstreut hatten, und auch so manche einzelne Aes Sedai hatte ihr eigenes Netz aufgebaut, doch Leane war ein seltener Ausnahmefall, vielleicht sogar einzigartig, denn sie hatte als Bewahrerin der Chroniken ein Netz sogar in Tar Valon selbst errichtet. Kaum hatte sie ausgesprochen, da verschwand sie auch schon.
»Sie sollte nicht allein hier herumlaufen«, sagte Sheriam in frustriertem Tonfall. »Nynaeve, geht zu ihr und bleibt bei ihr.«
Nynaeve zog an ihrem Zopf. »Ich glaube nicht …«
»Das ist bei Euch sehr oft der Fall«, unterbrach Myrelle sie. »Tut ausnahmsweise einmal, was man Euch sagt und sobald man es Euch sagt, Aufgenommene.«
Nynaeve tauschte einen trockenen Blick mit Elayne, dann nickte sie, wobei sie sichtlich ein Seufzen unterdrücken musste, und verschwand. Elayne empfand nur wenig Mitleid. Hätte Nynaeve nicht zuvor in Salidar ihre Gereiztheit so deutlich gezeigt, dann wäre es jetzt vielleicht möglich gewesen, zu erklären, dass sich Leane überall in der Stadt befinden mochte, dass es fast unmöglich sei, sie aufzuspüren, und dass sie schon seit Wochen allein in Tel’aran’rhiod herumschnüffelte.
»Jetzt müssen wir aber sehen, was wir in Erfahrung bringen können«, sagte Morvrin, doch bevor eine von ihnen etwas sagen konnte, saß plötzlich Elaida mit wütender Miene hinter ihrem Schreibtisch.
Eine Frau mit unnachgiebigem, strengen Gesicht, nicht schön, aber doch recht gut aussehend, mit dunklem Haar und dunklen Augen, so erschien ihnen Elaida in einem blutroten Kleid mit der gestreiften Stola der Amyrlin um die Schultern. »Wie ich es dank meiner Gabe vorhergesagt habe«, sagte sie in würdigem, getragenen Tonfall. »Die Weiße Burg wird unter meiner Führung wiedervereinigt. Unter meiner! « Sie deutete ruckartig auf den Fußboden. »Kniet nieder und bittet um die Vergebung Eurer Sünden!« Damit war sie wieder verschwunden.
Elayne ließ langsam die angehaltene Luft wieder heraus und war dankbar dafür, dass sie offensichtlich nicht die Einzige gewesen war.
»Eine Weissagung?« Beonin runzelte nachdenklich die Stirn. Es klang nicht besorgt, obwohl sie ja Grund genug gehabt hätte. Elaida hatte die Gabe, die Zukunft vorhersagen zu können, allerdings eben nur sporadisch. Wenn solch eine Vorhersage über eine Frau kam und sie wusste, dass
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