Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
nicht gern gesprochen. Als die Zerstörung der Welt die Menschen in alle Himmelsrichtungen zerstreute und sie überall Zuflucht suchten, wo sie nur ein wenig Geborgenheit fanden, waren auch die Ogier aus ihren Stedding geflüchtet. Viele Jahre durchwanderten Menschen eine Welt, die täglichen Veränderungen unterworfen war, auf der Suche nach Sicherheit, und die Ogier wanderten umher und suchten nach den Stedding, die sie in den sich ständig verändernden Ländern verloren hatten. In dieser Zeit überkam sie das Sehnen. Ein Ogier, der sich von dem Stedding entfernte, wollte dorthin zurückkehren. Ein Ogier, der sich längere Zeit außerhalb seines Steddings aufhielt, musste zurückkehren. Ein Ogier, der zu lange Zeit außerhalb eines Steddings verbrachte, starb.
»Er berichtete mir von einem Ogier, der länger draußen blieb«, sagte Rand ruhig. »Zehn Jahre lang, sagte er, wenn ich mich richtig erinnere.«
Haman schüttelte bereits das mächtige Haupt, bevor Rand ausgesprochen hatte. »Das ist hier nicht anwendbar. Ich weiß das natürlich; fünf sind bereits so lange Außerhalb geblieben, haben überlebt und sind in ihre Stedding zurückgekehrt. Wären es mehr gewesen, hätte ich wahrscheinlich davon erfahren. Über solche Verrücktheiten würde man sprechen und schriftlich berichten. Drei von denen sind innerhalb eines Jahres nach ihrer Rückkehr gestorben, der vierte war für den Rest seines Lebens behindert, und der fünften ging es nicht viel besser, denn sie benötigte von da an einen Stock zum Gehen. Immerhin fuhr sie fort, Bücher zu schreiben. Hmmm, Hmmm. Dalar konnte einige interessante Dinge berichten, was die …« Als Covril wieder den Mund öffnete, riss er den Kopf herum und fixierte sie mit einem strengen Blick, wobei er seine langen Augenbrauen hochzog. Sie fing an, hektisch ihren Rock glatt zu streichen. Doch sie erwiderte immerhin den Blick. »Fünf Jahre sind eine kurze Zeit, das weiß ich schon«, sagte Haman zu Rand, während er Covril scharf aus dem Augenwinkel beobachtete, »aber wir sind an das Stedding gebunden. Wir hörten nichts in der Stadt, was darauf hingedeutet hätte, dass sich Loial hier aufhält. Ich glaube, bei dem Aufsehen, das wir hervorgerufen haben, hätte man uns bestimmt davon erzählt. Wenn Ihr uns jedoch sagt, wo er sich befindet, tut Ihr ihm einen großen Gefallen.«
»Im Gebiet der Zwei Flüsse«, antwortete Rand. Wenn man einem Freund das Leben rettete, war das gewiss kein Verrat. »Als ich ihn das letzte Mal sah, ist er in guter Gesellschaft dorthin aufgebrochen – mit Freunden. Es ist eine ruhige Gegend, die Zwei Flüsse. Friedlich.« Jetzt war es tatsächlich wieder so, dank Perrin. »Vor wenigen Monaten ging es ihm wirklich gut.« Das hatte Bode berichtet, als ihm die Mädchen erzählten, was sich zu Hause alles ereignet hatte.
»Die Zwei Flüsse«, brummte Haman. »Hmmm. Hmmm. Ja, ich weiß, wo das ist. Noch ein langer Marsch.« Die Ogier ritten nur selten, denn es gab wenige Pferde, die sie tragen konnten, und außerdem zogen sie ihre eigenen Beine ohnehin vor.
»Wir müssen sofort aufbrechen«, sagte Erith in einem festen, wenn auch höheren Grollen. Höher, wenn man es mit Haman verglich. Covril und Haman sahen sie überrascht an, und ihre Ohren welkten vollkommen dahin. Sie war schließlich eine noch sehr junge Frau, die einen Ältesten und eine andere Frau begleitete, von der Rand vermutete, dass sie ebenfalls eine recht bedeutsame Persönlichkeit sei, so, wie sie sich Haman gegenüber benahm. Erith war höchstwahrscheinlich noch keinen Tag älter als achtzig.
Rand lächelte bei dem Gedanken – ein ganz junges Mädchen, vielleicht nur siebzig! – und sagte: »Bitte, nehmt meine Einladung in den Palast an und genießt unsere Gastfreundlichkeit. Ein paar Tage Rast könnte Eure Weiterreise sogar beschleunigen. Und möglicherweise könntet Ihr mir behilflich sein, Ältester Haman.« Natürlich – Loial hatte immer von seinem Lehrer erzählt, dem Ältesten Haman. Loials Worten nach wusste der Älteste Haman einfach alles. »Ich muss unbedingt die Tore zu den Kurzen Wegen auffinden. Alle.«
Alle drei Ogier sprudelten auf einmal los.
»Die Tore?«, fragte Haman, wobei Ohren und Augenbrauen gleichzeitig hochschossen. »Die Kurzen Wege sind sehr gefährlich. Viel zu gefährlich.«
»Ein paar Tage?«, protestierte Erith. »Mein Loial könnte derweil sterben!«
»Ein paar Tage?«, fragte auch Covril im gleichen Moment. »Mein Loial könnte derw …«
Weitere Kostenlose Bücher