Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
Feder und Tinte. Sofort. Schnell!« Sie sah ihn fast geringschätzig an, denn die Aiel gebrauchten keine Landkarten und behaupteten sogar, sie benötigten keine, und wandte sich ab. »Rennt, Far Dareis Mai! «, fauchte er. Sie blickte sich zu ihm um – und rannte los. Er hätte gern gesehen, wie sein Gesicht wohl in diesem Moment aussah, damit er später diesen Ausdruck im Notfall wieder benutzen konnte.
Haman wirkte, als hätte er am liebsten die Hände gerungen, wäre das nur mit seiner Würde zu vereinbaren gewesen. »Es gibt wirklich nicht viel zu sagen, was Ihr noch nicht wüsstet. Jedes Stedding hat ein kurzes Stück Wegs Außerhalb.« Die ersten Eingänge zu den Kurzen Wegen konnten nicht innerhalb angelegt werden, denn die Fähigkeit, die Macht zu gebrauchen, versagte in dem Stedding. Auch wenn man den Ogiern einen Talisman des Wachsens übergab, damit sie selbst die Wege zu einem neuen Ausgang hinwachsen lassen konnten, war immer noch die Macht daran beteiligt, wenn nicht sogar ihr direkter Gebrauch. »Und in allen Städten, in denen sich Ogierhaine befinden. Obwohl es mir scheint, dass die Stadt hier über den Hain hinweggewachsen ist. Und in Al’cair’rahienallen …« Er ließ kopfschüttelnd die Worte verklingen.
An diesem Namen konnte man das gesamte Problem aufhängen. Vor ungefähr dreitausend Jahren hatte es eine von den Ogiern erbaute Stadt namens Al’cair’rahienallen gegeben. Heute hieß sie Cairhien, und der Hain, den die Baumeister der Ogier angelegt hatten, damit er sie an ihr Stedding erinnern sollte, war Teil eines Anwesens, das dem gleichen Barthanes gehört hatte, in dessen Schloss nun Rands Schule eingerichtet war. Nur noch Ogier und vielleicht ein paar Aes Sedai erinnerten sich an Al’cair’rahienallen. Nicht einmal die Einwohner Cairhiens.
Was Haman auch glauben mochte: Innerhalb von dreitausend Jahren veränderte sich eine ganze Menge. Große, von Ogiern erbaute Städte existierten nicht mehr, und von einigen kannte man nicht einmal mehr die Namen. Große Städte waren emporgewachsen, mit deren Bau die Ogier nichts zu tun gehabt hatten. Amador war eine davon, erst nach den Trolloc-Kriegen erbaut, wie ihm Moiraine berichtet hatte, und Chachin in Kandor, Schol Arbela in Arafel, Fal Moran in Shienar. In Arad Doman hatte man Bandar Eban auf den Ruinen einer Stadt errichtet, die im Hundertjährigen Krieg erbaut worden war, einer Stadt, die Moiraine unter drei verschiedenen, jeweils ungewissen Namen kannte, und diese wiederum war auf den Ruinen einer namenlosen Stadt erbaut, die in den Trolloc-Kriegen untergegangen war. Rand kannte ein Tor zu den Kurzen Wegen in Shienar, mitten auf dem Lande in der Nähe einer mittelgroßen Stadt, deren Name den Teil des Namens der riesigen Stadt trug, die von den Trollocs geschleift worden war, und ein weiteres in der Fäule, im schattengemordeten Malkier. An anderen Orten hatte sich lediglich viel verändert, oder war gewachsen, wie Haman selbst gesagt hatte. Der Eingang in Caemlyn befand sich mittlerweile in einem Keller. Einem sehr gut bewachten Keller. Rand wusste, dass es in Tear einen Zugang gab, draußen in dem weiten Weideland, auf dem die Hochlords ihre berühmten Pferde züchteten. Es sollte eines irgendwo in den Verschleierten Bergen geben, wo sich einst Manetheren befunden hatte. Wo das auch sein mochte. Was die Stedding betraf, wusste er gerade, wo er Stedding Tsofu finden konnte. Moiraine hatte die Stedding und die Ogier nicht für einen wichtigen Teil seiner Ausbildung gehalten.
»Ihr wisst nicht, wo sich die Stedding befinden?«, fragte Haman ungläubig, als Rand ausgesprochen hatte. »Ist das typischer Aielhumor? Ich habe den Humor der Aiel noch nie verstanden.«
»Für die Ogier«, sagte Rand mit sanfter Stimme, »ist es lange her, seit die Wege angelegt wurden. Für die Menschen ist es sehr, sehr lange her.«
»Aber erinnert Ihr Euch nicht einmal an Mafal Dadaranell oder Ancohima oder Londaren Cor oder …?«
Covril legte Haman eine Hand auf die Schulter, doch das Mitleid in ihrem Blick galt Rand. »Er erinnert sich nicht«, sagte sie leise. »Ihre Erinnerungen sind verblasst.« Es klang, als sei das der größte vorstellbare Verlust. Erith, die ihre Hände vor den Mund gepresst hatte, schien in Tränen ausbrechen zu wollen.
Sulin kehrte zurück. Sie schien absichtlich langsam zu gehen. Im Schlepptau hatte sie eine größere Anzahl von Gai’shain , die sich die Arme mit zusammengerollten Landkarten aller Größen beladen
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