Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
Gesichtszüge feiner. Covrils Miene war im Augenblick wohl sehr streng – auch sie kam ihm irgendwie bekannt vor –, während Erith besorgt zu sein schien. Ihre Ohren hingen schlapp herunter.
»Bitte entschuldigt mich einen Augenblick«, sagte Rand zu ihnen.
Sulin ließ ihn kein weiteres Wort mehr sagen. »Wir sind gekommen, um mit den Baumbrüdern zu sprechen, Rand al’Thor«, sagte sie energisch. »Ihr müsst wissen, dass die Aiel schon lange Wasserfreunde der Baumbrüder gewesen sind. Wir besuchen sie oft in ihren Stedding, um mit ihnen Handel zu treiben.«
»Das ist durchaus richtig«, murmelte Haman. Für einen Ogier war es jedenfalls ein Murmeln. Wie eine Lawine, die gerade außer Sichtweite niedergeht.
»Ich bin sicher, dass die anderen gekommen sind, um mit ihnen zu sprechen«, sagte Rand zu Sulin. Er erkannte auf einen Blick die Mitglieder, die sie heute Morgen als Leibgarde für ihn eingeteilt hatte – jede Einzelne. Jalani beispielsweise lief dunkelrot an. Andererseits waren bis auf Urien selbst, nicht mehr als drei oder vier der am Morgen angetretenen Roten Schilde anwesend. »Ich möchte gar nicht erst daran denken müssen, Enaila und Somara zu bitten, Euch in ihre Obhut zu nehmen.« Sulins braun gebranntes Gesicht lief vor Empörung dunkel an, was die Narbe, die sie in seinen Diensten erhalten hatte, noch stärker hervortreten ließ. »Ich will allein mit ihnen sprechen. Allein«, betonte er noch einmal, wobei er Liah und Cassin anblickte. »Außer, Ihr wärt der Meinung, Ihr müsstet mich vor ihnen beschützen?« Wenn überhaupt, war sie jetzt noch mehr beleidigt; sie rief die Töchter mit blitzschnellen Handzeichen zusammen. Wie sie das machte, hätte man bei jedem anderen als ausgerechnet einem Aiel als ›eingeschnappt‹ bezeichnet. Ein paar der Aielmänner schmunzelten, als sie sich zum Gehen wandten. Rand glaubte, er habe vielleicht einen unfreiwilligen Scherz gemacht.
Als sie gingen, strich sich Haman über den langen Schnurrbart. »Die Menschen haben uns nicht immer geglaubt, dass wir sie nicht bedrohen, müsst Ihr wissen. Hmmm. Hmmm.« Diese Laute klangen wie das Summen einer riesigen Hummel. »Es steht in den alten Chroniken. Sehr alt. Es sind wirklich nur Fragmente, aber sie werden auf eine Zeit datiert, die …«
»Ältester Haman«, mahnte Covril höflich, »wenn wir uns nun dem Zweck unseres Kommens zuwenden könnten …?« Diese Hummel summte ein klein wenig höher.
Der Älteste Haman. Wo hatte Rand diese Bezeichnung schon einmal vernommen? Jedes Stedding hatte schließlich einen Rat der Ältesten.
Haman seufzte tief. »Also gut, Covril, aber du legst ungebührende Eile an den Tag. Du hast uns kaum Zeit gelassen, uns zu waschen, bevor wir hierherkamen. Ich schwöre, du hast angefangen, herumzuspringen wie ein …« Der Blick aus diesen großen Telleraugen huschte zu Rand hinüber, und dann hustete er und hielt sich dabei eine Hand von der Größe einer Speckseite vor den Mund. Die Ogier hielten ansonsten die Menschen für ausgesprochen übereilt in ihren Handlungen. Ihrer Meinung nach versuchten Menschen grundsätzlich, jetzt zu tun, was bis morgen Zeit gehabt hätte. Oder bis zum nächsten Jahr. Die Ogier waren äußerst weitsichtig. Außerdem galt es bei ihnen als beleidigend, wenn man die Menschen darauf ansprach, wie sie herumhüpften. »Es war eine ausgesprochen anstrengende Reise«, fuhr Haman mit seiner Erklärung für Rand fort, »nicht zuletzt, als wir entdeckten, dass die Shaido Aiel Al’cair’rahienallen belagerten – wirklich etwas Außergewöhnliches – und dass Ihr euch tatsächlich dort aufgehalten hattet, aber dann seid Ihr abgereist, bevor wir mit Euch sprechen konnten, und … Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe das Gefühl, wir haben voreilig gehandelt. Nein. Nein, sprich nur, Covril. Deinetwegen habe ich meine Studien liegen lassen und meine Lehrtätigkeit, nur um quer durch die Welt zu laufen. Meine Schulklassen werden sich mittlerweile im Aufruhr befinden.« Rand hätte beinahe gegrinst. So, wie sich die Ogier aufführten, würden Hamans Schüler ein halbes Jahr brauchen, um zu begreifen, dass er wirklich weg war, und ein weiteres Jahr, um zu besprechen, wie sie sich daraufhin verhalten sollten.
»Eine Mutter hat das Recht, sich Sorgen zu machen«, sagte Covril, und ihre behaarten Ohren bebten. Sie schien hin- und hergerissen zwischen dem Respekt, der einem Ältesten gebührte, und einer völlig aus dem Rahmen des üblichen Ogierverhaltens
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