Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
ersten Mal unter Druck geraten? Oder Aes Sedai, die kaum die Macht lenken können?«
Egwene schnaubte. Sorilea wäre aus der Burg verwiesen worden, ohne jemals einer Eignungsprüfung zur Aufgenommenen unterzogen zu werden. »Vielleicht können sie keine Aes Sedai werden, aber das bedeutet nicht, dass sie nutzlos sind. Man traut ihnen immerhin zu, die Macht nach zumindest annähernd eigenem Gutdünken zu gebrauchen, sonst würden sie nicht in die Welt hinausgeschickt. Mein Traum besteht darin, dass jede Frau, die die Macht lenken kann, irgendwie mit der Burg verbunden sein sollte. Jede Einzelne.«
»Auch die Windsucherinnen?« Elayne zuckte zusammen, als Egwene nickte.
»Du hast sie nicht verraten, Elayne. Ich kann nicht glauben, dass sie ihr Geheimnis so lange bewahrt haben.«
Elayne seufzte tief. »Nun, was geschehen ist, ist geschehen. Du kannst nichts ungeschehen machen. Aber wenn deine Aiel besonderen Schutz erhalten, sollte er dem Meervolk auch zugestanden werden. Lass die Windsucherinnen ihre Mädchen lehren. Keine Meervolk-Frau mehr, die gegen ihren Willen von Aes Sedai vertrieben wird.«
»In Ordnung.« Egwene spie auf ihre Handfläche und streckte die Hand dann aus, und kurz darauf spie auch Elayne auf ihre Hand und grinste, als sie sich die Hände gaben, um den Handel zu besiegeln.
Dann schwand das Grinsen langsam. »Hat dies etwas mit Rand und seiner Amnestie zu tun, Egwene?«
»Teilweise. Elayne, wie konnte der Mann so …?« Sie mochte die Frage nicht zu Ende stellen. Es gab ohnehin keine Antwort darauf. Die andere Frau nickte ein wenig traurig, weil sie verstand oder ihr zustimmte oder beides.
Die Tür wurde geöffnet, und eine stämmige Frau in dunklem Tuch kam mit einem Silbertablett mit drei Silberbechern und einem hohen, silbernen Weinkrug herein. Ihr Gesicht wirkte verbraucht – das Gesicht einer Landfrau –, aber ihre dunklen Augen glänzten, als sie Egwene und Elayne nacheinander genau betrachtete. Egwene konnte sich nur kurz darüber wundern, dass die Frau trotz ihres groben Gewandes eine silberne Halskette trug, denn hinter ihr betrat Nynaeve den Raum und schloss die Tür. Sie musste wie der Wind gelaufen sein, weil sie auch noch Zeit gefunden hatte, das Gewand der Aufgenommenen gegen ein dunkelblaues, am Halsausschnitt und am Saum mit goldenen Verzierungen besticktes Seidengewand einzutauschen. Es war nicht annähernd so tief ausgeschnitten wie Berelains Gewand, aber noch immer erheblich tiefer, als Egwene es bei Nynaeve zu sehen erwartet hatte.
»Dies ist Marigan«, sagte Nynaeve und warf ihren Zopf mit geübter Bewegung über die Schulter. Der Große Schlangenring schimmerte an ihrer rechten Hand golden.
Egwene wollte gerade fragen, warum sie den Namen so ausdrücklich betonte, erkannte aber dann jäh, dass deren Halskette zu dem Armband an Nynaeves Handgelenk passte. Sie konnte nicht umhin, die Frau anzustarren. Sie sah sicherlich nicht annähernd so aus, wie sich Egwene eine Verlorene vorgestellt hätte. Sie sprach es aus, und Nynaeve lachte.
»Sieh her, Egwene.«
Sie schaute nicht nur hin – sie sprang fast von ihrem Stuhl auf und umarmte tatsächlich Saidar . Als Nynaeve zu sprechen begann, hatte das Schimmern auch Marigan umhüllt, nur einen Augenblick lang, und bevor es wieder schwand, hatte sich die Frau in dem einfachen Wollkleid vollkommen verändert. Es waren eigentlich nur kleine Veränderungen, aber sie bewirkten, dass die Frau völlig anders aussah, eher hübsch als schön, aber überhaupt nicht mehr verbraucht – eine stolze, sogar stattliche Frau. Nur die Augen waren gleich geblieben, glänzten noch immer. Egwene konnte jetzt glauben, dass diese Frau Moghedien war.
»Wie?«, fragte sie nur. Sie hörte aufmerksam zu, während Nynaeve und Elayne erklärten, wie man Verkleidungen wob und Gewebe umkehrte, aber sie betrachtete dabei Moghedien. Sie war stolz, von sich selbst erfüllt, und ruhte fest in sich.
»Bringt sie zurück«, sagte Egwene, als die Erläuterungen geendet hatten. Wieder blieb das Schimmern Saidars nur kurz bestehen, und es waren keine sichtbaren Gewebe mehr erkennbar, als es verging. Moghedien war erneut eine einfache und verbrauchte Frau, eine Landfrau, die ein hartes Leben geführt hatte und älter aussah, als sie war. Die schwarzen Augen blitzten Egwene hasserfüllt und vielleicht auch voller Abscheu vor sich selbst an.
Als Egwene erkannte, dass sie Saidar noch immer festhielt, fühlte sie sich einen Moment töricht. Weder Nynaeve noch
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