Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
zur Königin erlangt hatte.
»Elayne, wenn sich die Nachricht erst verbreitet und die Herrscher von mir wissen, kann ich den Saal allmählich zu der Erkenntnis führen, dass sie eine Amyrlin und keine Marionette erwählt haben, aber bis dahin könnten sie mir diese Stola tatsächlich genauso schnell wieder nehmen, wie sie diese mir gegeben haben. Ich meine, wenn ich nicht wirklich die Amyrlin bin, ist es nicht schwer, mich beiseitezuschieben. Es würde vielleicht einige Proteste geben, aber ich bezweifle nicht, dass sie sie leicht beiseiteräumen könnten. Wenn jemand außerhalb Salidars jemals hörte, dass eine junge Frau namens Egwene al’Vere zur Amyrlin erhoben wurde, wäre es nur wieder eines dieser seltsamen Gerüchte, die um die Aes Sedai entstehen.«
»Was wirst du tun?«, fragte Elayne leise. »Du wirst das nicht demütig hinnehmen.« Das ließ Egwene aufrichtig lächeln. Es war keine Frage, sondern eine nachdrückliche Feststellung.
»Nein, das werde ich nicht tun.« Sie hatte vielen Lektionen über das Spiel der Häuser gelauscht, die Moiraine Rand erteilt hatte. Damals hatte sie das Spiel für widersinnig und äußerst hinterhältig gehalten. Jetzt hoffte sie nur noch, sich an alles erinnern zu können, was sie damals gehört hatte. Die Aiel sagten stets: Gebrauche die dir zur Verfügung stehenden Waffen. »Vielleicht hilft es mir, dass sie mich auf drei verschiedene Marionettenfäden vorzubereiten versuchen. Ich kann vorgeben, von dem einen oder anderen beeinflusst zu werden, abhängig davon, welches meinem Streben gerade eher entspricht. Ab und zu kann ich einfach tun, was ich will, so wie ich euch beide ernannt habe, aber nicht mehr sehr häufig.« Sie straffte die Schultern und begegnete ihren Blicken mit Gelassenheit. »Ich würde gerne sagen, dass ich euch ernannt habe, weil ihr es verdient habt, aber die Wahrheit ist, dass ich es getan habe, weil ihr meine Freundinnen seid und weil ich hoffe, dass ihr mir als vereidigte Schwestern helfen könnt. Ich weiß einfach nicht, wem außer euch beiden ich vertrauen kann. Ich werde euch so bald wie möglich nach Ebou Dar schicken, aber davor und danach kann ich mit euch über alles reden. Ich weiß, dass ihr mir die Wahrheit sagen werdet. Diese Reise nach Ebou Dar dauert vielleicht nicht so lange, wie ihr glaubt. Ihr beide habt alle möglichen Entdeckungen gemacht, wie ich hörte, aber wenn ich einiges herausfinden kann, werde ich vielleicht auch meine eigene Entdeckung machen.«
»Das wird wundervoll sein«, sagte Elayne, aber sie klang fast abwesend.
KAPITEL 37
Der Kampf beginnt
E s herrschte ein sehr eigenartiges Schweigen, was Egwene überhaupt nicht verstehen konnte. Elayne sah Nynaeve an, und dann schauten beide auf Nynaeves schmales Silberarmband. Nynaeve blickte kurz mit geweiteten Augen zu Egwene und dann schnell zu Boden.
»Ich muss dir etwas gestehen«, flüsterte Nynaeve kaum hörbar. Ihre Stimme blieb leise, aber die Worte strömten eilig hervor. »Ich habe Moghedien gefangen genommen.« Ohne den Blick zu heben, hielt sie das Handgelenk mit dem Armband hoch. »Dies ist ein A’dam . Wir halten sie gefangen, und niemand weiß etwas davon. Außer Siuan und Leane und Birgitte. Und jetzt du.«
»Wir mussten es tun«, sagte Elayne und beugte sich eifrig vor. »Sie hätten sie hingerichtet, Egwene. Ich weiß, dass sie es verdient, aber sie besitzt so großes Wissen, Dinge, die wir uns kaum im Traum vorstellen können. Daher stammen alle unsere Entdeckungen – außer Nynaeves Heilung Siuans und Leanes und Logains und mein Ter’angreal . Sie hätten sie getötet, ohne zu versuchen, etwas von ihr zu lernen.«
Fragen wirbelten in Egwenes verwirrtem Kopf umher. Sie hatten eine der Verlorenen gefangen genommen? Wie? Elayne hatte ein A’dam erlangt? Egwene zitterte und konnte das Armband kaum ansehen. Er ähnelte in keiner Weise dem A’dam , den sie nur zu gut kannte. Wie hatten sie es geschafft, eine Verlorene unter so vielen Aes Sedai verborgen zu halten? Eine der Verlorenen war eine Gefangene. Nicht verurteilt und hingerichtet. Rand war so misstrauisch geworden, dass er Elayne niemals wieder vertrauen würde, wenn er das herausfände.
»Bringt sie her«, brachte sie schließlich tonlos hervor. Nynaeve sprang auf und lief davon. Der Klang der Feierlichkeiten, Lachen und Musik und Gesang, schwoll einen Moment an, bevor sich die Tür wieder hinter ihr schloss. Egwene rieb sich über die Schläfen. Eine der Verlorenen. »Das muss vollkommen
Weitere Kostenlose Bücher