Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
aber beide hatten schon Hebammen geholfen.
Rand räusperte sich geräuschvoll. Es war nicht so, dass ihn die Einzelheiten gestört hätten. Er hatte bei Schafen, Stuten und Kühen bei der Geburt geholfen. Es ärgerte ihn nur, dass sie dasaßen und die Köpfe zusammensteckten, als gäbe es ihn gar nicht mehr. Keine der Frauen sah sich um, bis er sich erneut und ausreichend laut räusperte, dass er sich fragte, ob er sich eine Zerrung zugezogen hatte.
Melaine beugte sich näher zu Min und sprach in einem Flüsterton, den man noch im nächsten Raum hätte hören können. »Männer fallen dabei immer in Ohnmacht.«
»Und immer zum ungünstigsten Zeitpunkt«, stimmte Min ihr im gleichen Tonfall zu.
Was würden sie denken, wenn sie Mat in der Scheune seines Vaters gesehen hätten – bis zu den Schultern mit Blut und Geburtsflüssigkeit verschmiert und mit drei gebrochenen Rippen, weil die Stute ihn getreten hatte, da sie noch niemals zuvor geboren hatte und verängstigt war? Ein hübsches Fohlen war es gewesen, und beim nächsten Mal hatte die Stute nicht mehr ausgekeilt.
»Bevor ich ohnmächtig werde«, bemerkte er trocken, während er sich zu ihnen auf den Teppich setzte, »könnte mir eine von Euch etwas mehr über die Aes Sedai berichten?« Er wäre schon früher aufgestanden oder hätte sich zu Melaine auf den Teppich gesetzt, wenn sein Schoß nicht besetzt gewesen wäre. Unter den Aiel besaßen nur Häuptlinge Stühle, und der Stuhl eines Häuptlings wurde nur bei der Verkündung von Urteilen oder bei der Unterwerfung eines Feindes benutzt.
Beide Frauen fühlten sich ausreichend gerügt. Keine sagte etwas, aber sie zupften ausführlich an ihren Schultertüchern, richteten ihre Umhänge und mieden seinen Blick. Alles das verging, als sie dann erneut sprachen. Min hielt beharrlich an ihrer Meinung fest, dass die Aes Sedai aus Salidar Rand nicht schaden wollten, sondern ihm vielleicht sogar helfen würden, wenn man es richtig anging, was voraussetzte, dass sie ihm in jeder Hinsicht alles berichtete, was sie hörte. »Ich werde nicht zur Verräterin, versteht Ihr, Melaine? Ich kannte Rand schon vor jeder Aes Sedai, außer Moiraine natürlich, und die Wahrheit ist, dass er sich meiner Treue schon seit lange vor ihrem Tode gewiss sein kann.«
Melaine hielt Min nicht für eine Verräterin, ganz im Gegenteil, und schien nur umso besser über sie zu denken. Weise Frauen hatten ihre eigene Version der Aiel-Ansicht über Spione. Aber sie meinte, dass man Aes Sedai – mit beträchtlichen Ausnahmen – genauso weit wie Shaido trauen konnte, was bedeutete, nicht eher, als bis sie gefangen genommen und zu Gai’shain gemacht worden waren. Sie schlug nicht wirklich vor, die Aes Sedai in der Rosenkrone gefangen zu nehmen, aber es kam dem nahe. »Wie könnt Ihr ihnen trauen, Rand al’Thor? Ich glaube, sie haben keine Ehre, außer Egwene al’Vere, und sie …« Melaine rückte erneut ihr Tuch zurecht. »Wenn eine Aes Sedai mir zeigt, dass sie so viel Ehre wie Egwene besitzt, werde ich ihr vertrauen, und nicht eher.«
Rand hörte mehr zu, als dass er sprach, sagte nicht mehr als ungefähr ein Dutzend Worte und lernte eine ganze Menge. Indem sie Melaines Einwände konterte, ging Min die Namen der Abordnung einen nach dem anderen durch, zählte auf, welche Frau was über die Unterstützung Rands gesagt hatte, und gab wahrhaftig zu, dass eigentlich nicht alles zum Besten stand. Merana Ambrey und Kairen Stang, eine Blaue, waren beide Andoraner, und auch wenn Aes Sedai vermutlich aller Treue entsagten – außer der zur Weißen Burg, vielleicht weil sie von der Burg ferngehalten wurden –, machte es sie besorgt, dass Rand in Caemlyn saß und vielleicht Morgase getötet hatte. Rafela Cindal, ebenfalls eine Blaue, wäre über die Veränderungen vielleicht erfreut gewesen, die Rand in Tear durchlaufen hatte, wo das Lenken der Macht einst verpönt gewesen war und ein Mädchen, das dies lernen konnte, aus dem Land gejagt wurde, aber sie sagte nur wenig. Und Morgase gab Min ebenfalls Anlass zur Sorge. Seonid Traighan, eine Grüne, grübelte über jedes Gerücht ihrer heimischen Cairhiener nach und behielt ihre Meinung für sich, und Faeldrin Harella, die zweite Grüne Schwester, verglich die Gräueltaten der Drachenverschworenen in Altara und Murandy manchmal mit dem, was die Drachenverschworenen in Tarabon getan hatten, wo sie sich sogar geweigert hatten, über die Tatsache zu reden, dass der Bürgerkrieg ihr Land schon zerrissen
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