Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
Bael konnte sein Unbehagen nicht ganz verbergen, als er Melaine so über die Aes Sedai reden hörte.
»Vielleicht sollte man auch die Weisen Frauen so behandeln«, bemerkte Rand mit einem Lächeln.
Melaine senkte ihre Stimme und richtete nachdrücklich ihr Schultertuch. »Seid kein vollkommener Narr, Rand al’Thor.«
Bael kicherte, obwohl seine Frau ihn ansah. Zumindest hatte er ein Kichern zustande gebracht. Rand konnte den Humor jedoch nicht nachempfinden, und das nicht wegen der Dämpfung des Nichts. Er wünschte fast, er hätte Min mitkommen lassen. Es gab hier zu viele Unterströmungen, die er nicht verstand, und er befürchtete, dass noch mehr da waren, die er nicht einmal erkennen konnte. Was wollten sie wirklich?
Min schloss die schmale Tür des Ankleideraums, lehnte sich an ein dunkles Wandpaneel zurück und atmete tief ein. Faile hatte Perrin abgeholt, und sosehr Loial auch darauf beharrt hatte, Rand wolle, dass Min zurückbleibe, hatte er doch vor der einfachen Wahrheit kapituliert, dass Rand kein Recht hatte, sie irgendwo festzuhalten. Wenn Loial natürlich eine Ahnung gehabt hätte, was sie vorhatte, hätte er sie sich vielleicht unter den Arm geklemmt – sehr sacht natürlich –, sich dort in den Hof gesetzt und ihr etwas vorgelesen.
Min hatte alles gehört, aber sie hatte nicht viel mehr gesehen als Aes Sedai, die über dem Podest mit dem Thron aufragten. Sie mussten die Macht gelenkt haben, wodurch Bilder und Auren verschwommen waren, aber sie war so verblüfft gewesen, dass sie diese auch nicht erkannt hätte, wenn welche deutlich zu sehen gewesen wären. Als sie sich wieder erholt hatte, hatten die Aes Sedai nicht mehr aufgeragt, und Demiras Stimme hatte nicht mehr aus jedem Winkel gedröhnt.
Sie kaute auf ihrer Unterlippe und dachte wütend nach. Ihrer Meinung nach gab es zwei Probleme. Zum einen Rand und seine Forderung nach Respekt, was auch immer er damit meinte. Wenn er erwartete, dass Merana einen tiefen Hofknicks vollführte, würde er lange warten müssen, und in der Zwischenzeit verärgerte er sie sicherlich eifrig. Es musste eine Möglichkeit geben, dies zu verhindern, wenn sie nur wüsste wie. Das zweite Problem waren die Aes Sedai. Rand schien zu glauben, sie wären in gewisser Weise erregt, was er beenden könnte, indem er auftrumpfte. Min war im Zweifel, ob die Aes Sedai erregt waren, aber wenn dem so war, handelte es sich gewiss um etwas Ernsthafteres. Der einzige Ort, wo man das herausfinden könnte, war jedoch die Rosenkrone .
Sie holte Wildrose wieder aus dem Vorhofstall ab und ritt die kastanienbraune Stute im Schritt zum Gasthaus zurück, wo sie sie einem großohrigen Stallburschen mit der Bitte übergab, sie möge gut abgerieben und mit ein wenig Hafer gefuttert werden. Ihr scharfer Ritt zum Palast war anstrengend gewesen, und Wildrose verdiente eine Belohnung für ihre Unterstützung bei der Vereitelung von Meranas Plan. Dem kalten Zorn in Rands Stimme nach zu urteilen, war sie nicht sicher, was vielleicht geschehen wäre, wenn er plötzlich aus heiterem Himmel erfahren hätte, dass sieben Aes Sedai ihn in der Großen Halle erwarteten.
Der Schenkraum der Rosenkrone wirkte noch fast genauso wie zuvor, als sie durch eine der Küchen hinausgeeilt war. Wächter saßen an den Tischen verteilt, von denen einige Domino oder Mühle spielten und andere würfelten. Sie schauten fast wie ein Mann auf, als sie eintrat, nahmen ihr Spiel aber wieder auf, als sie sie erkannt hatten. Frau Cinchonine stand mit verschränkten Armen und verärgertem Gesichtsausdruck vor der Tür des Lagerraums. An den Wänden des Schenkraums der Rosenkrone waren keine Weinfässer aufgestapelt. Die Wächter waren die einzigen Gäste, und Wächter tranken in der Regel wenig und selten. Es standen jede Menge Zinnkrüge und Becher auf den Tischen, aber Min konnte nicht erkennen, dass auch nur einer davon berührt worden wäre. Aber sie erkannte einen Mann, der vielleicht bereit wäre, ihr etwas zu erzählen.
Mahiro Shukosa saß allein an einem Tisch und beschäftigte sich mit Geduldsspielen, die beiden Schwerter, die er gewöhnlich auf dem Rücken trug, in Reichweite an die Wand gelehnt. Mit seinen bereits ergrauenden Schläfen und der edlen Nase wirkte er auf schlichte Art gut aussehend, obwohl ihn sicherlich nur eine verliebte Frau als schön bezeichnet hatte. In Kandor war er ein Herr. Er hatte die Königshöfe fast jeden Landes besucht, reiste mit einer kleinen Bibliothek und gewann oder verlor beim
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